Ob fechtende Frösche, Eisbärfelle oder alte Meister: Johannes Holzhausens Dokumentarfilm "Das große Museum" vollzieht die Arbeit an den Ausstellungsobjekten des Museums mit.

Foto: navigator

Johannes Holzhausen: Kritik drückt sich über Humor aus. 

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STANDARD: In "Auf allen Meeren" erzählten Sie mittels eines ausrangierten Flugzeugträgers vom Ende der UdSSR. Wo sind die Parallelen zu "Das große Museum" - ist das Kunsthistorische Museum auch ein Platzhalter für Geschichte?

Johannes Holzhausen: Museen werden nicht umsonst auch Kulturtanker genannt. Die beiden Filme liegen wirklich nicht so weit auseinander, aber die Perspektive ist anders: Beide Schiffe transportieren Erinnerungen. Allerdings habe ich in Auf allen Meeren über Vergangenes erzählt; das Schiff war ein Symbol, eine leere Leinwand, auf die man etwas projizieren konnte. In Das große Museum geht es stärker um die Gegenwart - da arbeite ich ohne Interviews, stattdessen mit Beobachtung.

STANDARD: Ich hatte den Eindruck, dass Sie die repräsentative Funktion des Museums besonders interessiert.

Holzhausen: Nun, der Film heißt Das große Museum, und da denke ich nicht nur an das Kunsthistorische Museum, sondern auch an Österreich - das Land ist für mich auch eine Art großes Museum. Es gibt diesen Schwenk am Anfang ...

STANDARD: Über den Heldenplatz?

Holzhausen: Ja, er fängt bei der Präsidentschaftskanzlei an, dann geht es weiter über den Heldenplatz mit der Neuen Burg, schließlich über den Ring zum KHM. Das ist der Raum, in dem sich das alte Österreich repräsentiert hat, in dem aber auch das neue noch seine Paraden abhält. Das ist auch der Raum, in dem der Film sich bewegt, der ja nicht nur im Museum spielt. Das Museum hat schon durch seine habsburgische Vergangenheit eine repräsentative Funktion. Staatsbesuche werden in die Schatzkammer gebracht mit der Krone des Heiligen Römischen Reiches als Höhepunkt. Das Museum empfinde ich daher als eine Art Grenzziehung zwischen diesem Erbe und der Frage, wie die Republik damit umgeht.

STANDARD: Die Renovierung der Kunstkammer gibt dem Film eine klare zeitliche Ordnung. Da geht es auch um die Herstellung eines neuen Images, nicht wahr?

Holzhausen: Es war immer klar, dass der Film mit der Eröffnung der neuen Kunstkammer enden wird. Das passiert als Festakt, bei dem die Selbstdarstellung des Museums mit der Selbstdarstellung der Republik zusammenfällt: ein Moment, bei dem man sich im Glanz der Objekte sonnt. Da kann man sich dann die Frage stellen, ob man das gut findet oder eben nicht - ich konterkariere dieses Event bewusst mit den Fahrten über die Kunstobjekte, die Büsten.

STANDARD: Dieses Herausputzen und Erneuern bildet der Film auf vielen Ebenen ab. Ist das eine Arbeit, die man an Museen gerne übersieht?

Holzhausen: In der Arbeit der Restauratoren an den Objekten spiegelt sich für mich eher die Haltung, nichts verändern zu wollen, also einen Originalzustand zu erhalten. Diesen Aspekt liebe ich sehr; man will mit seiner Arbeit nicht auffallen. Ziel ist es, sich selber zum Verschwinden zu bringen. Die Institution will etwas anderes: Da geht es um kaufmännische Aspekte, um Funktionen, die man erfüllt. Während das eine Alltagsgeschäft ist, hat das andere einen Anspruch auf Ewigkeit.

STANDARD: Wie findet man dafür die geeigneten Szenen? Gab es einen Drehplan? Regeln?

Holzhausen: Objekte sollten nur gezeigt werden, wenn mit ihnen hantiert wird. Was davon überhaupt Kunst ist, mit dieser Überlegung zu spielen, hat mich auch gereizt. Man sieht ja auch ein Eisbärfell, eine Kasperlfigur, Kunsthandwerk - es wird ja alles vom Museum verwahrt, und der Kasperl wird mit derselben Sorgfalt wie die Saliera behandelt. Es sollte auf keinen Fall ein Film werden, in dem Kunstwerke erklärt werden. Es wird nur über sie geredet.

STANDARD: Es gibt einen pointierten Moment, in dem der Geschäftsführer sich am Design einer Zahl auf der Jahreskarte stößt - er findet sie zu aggressiv ...

Holzhausen: Solche Szenen sind Ergebnis langer Prozesse. Es dauert, bis man überhaupt zu einer Sitzung kommen darf. Gewisse Themen werden nicht behandelt, wenn die Kamera dabei ist. Doch es gibt kleine Momente, in denen sich das auflöst. Da werden scheinbar marginale Dinge besprochen - eben der Dreier auf der Jahreskarte. Manchmal muss man indirekt agieren: So ein Moment erzählt ja auch einiges über Unternehmenskultur. Ich habe stets gesagt, der Film baut auf Vertrauen auf. Was man sieht, ist das, was sie mir erlaubt haben zu filmen.

STANDARD: Wie definiert sich Kritik in einem solchen Graubereich?

Holzhausen: Da muss man mit filmischen Mitteln arbeiten. Für mich vollzieht sich die Kritik in einer Distanz, die sich etwa auch über Humor ausdrückt. Ich hoffe, das funktioniert: Es geht darum, das Einschüchternde, Repräsentative des Gebäudes und der Institution aufzulösen. Als Student der Kunstgeschichte bin ich immer müde geworden, wenn ich im KHM unterwegs war, weil mich die Räume eingeschüchtert haben. Jetzt spaziere ich dort durch, als ob es mein Wohnzimmer wäre.

STANDARD: Die Komik funktioniert als Umkehrung von Hierarchien?

Holzhausen: Es gibt dieses wunderschöne Beispiel in Jacques Tatis Playtime, wo die Reisegruppe dieses Restaurant besucht, das sich dann in alle Bestandteile auflöst ...

STANDARD: Sie haben dafür eine Steadycam-Szene, in der eine Rollerfahrt durchs Museum ein denkbar unspektakuläres Ende nimmt. Da arbeiten Sie mit Inszenierung.

Holzhausen: Beobachtung ist für mich nur eine Möglichkeit von mehreren. Ich habe in Das große Museum öfters inszeniert, jedoch stets in dem Sinne, dass ich damit etwas auf den Punkt bringen will, was in der Realität vorhanden ist. Es gibt Szenen, die sind auf die Wirkung hin inszeniert: Der Mann, der seine Hacke in der Mitte des Raums in den Parkettboden schlägt - er würde natürlich vom Rand her beginnen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 18.3.2014)