"Die Menschen haben ein Gespür, dass da was stinkt", schleuderte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache der Regierungsbank entgegen. Die schien von olfaktorischen Belästigungen unbehelligt und war so voll wie selten.

Foto: STANDARD/Cremer
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Wien - Der Bundeskanzler zog als Erster in die Arena ein: Um 9.59 Uhr nahm Werner Faymann (SPÖ) auf der Regierungsbank Platz. Um Punkt zehn eröffnete Parlamentspräsidentin Barbara Prammer am Dienstag per Handglocke die Sondersitzung zur Hypo im Hohen Haus. Zwei Minuten später war auch der zweite Einladende dieser Zusammenkunft des Nationalrats, Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP), da.

Sie kam nämlich auf Antrag von SPÖ und ÖVP zustande, die die "Lösung" der Causa Hypo den Abgeordneten und der Nation erklären - und natürlich die aus ihrer Sicht Schuldigen benennen - wollten. Dazu sprachen sie vor allem deren politische Verwandtschaft im Parlament, die FPÖ, an.

Auffällig gut besuchte Regierungsbank

Das wollten sich so viele Regierungsmitglieder wie sonst selten bei Nationalratssitzungen nicht entgehen lassen. Elf Minister und Staatssekretäre hörten sich den harten Schlagabtausch an.

Die Metaerzählung lautete quasi: Ein Land wird von einem Land gerettet. Oder: Wie diese SPÖ-ÖVP-Bundesregierung Kärnten aus den Fängen des von den Freiheitlichen und Jörg Haider verursachten Hypo-Alpe-Adria-Schlamassels zu befreien gedenkt.

Kärnten nicht ausliefern

Der Kanzler ging selbstbewusst und recht angriffslustig in die Debatte, und es dauerte nicht lang bis zum ersten Zwischenruf von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, den Faymann barsch zurückwies: "Da hilft auch der Finanzexperte Kickl nix." Fakt sei, dass die Haftung des Landes Kärnten über 20 Milliarden Euro der Grund für den Schaden sei, den die Republik nun beheben müsse. Nur: "Mit der Insolvenz eines Bundeslandes spielt man nicht. Wir werden die Kärntnerinnen und Kärntner nicht ausliefern." In Österreich werde kein Bundesland im Stich gelassen. Die gewählte Lösung sei ihm "allemal lieber als Ihre kindischen Aktionen", sagte Faymann mit Blick in die Reihen der Blauen, die Pappfiguren mit der Aufschrift "Bayern zur Kasse statt die Masse" in die Höhe hielten.

Ministerrat segnete Lösung ab

Die Hypo-Abbaulösung wurde Dienstagfrüh im Ministerrat beschlossen. Nachranggläubiger müssen einen Beitrag leisten, mit Bayern soll über einen Generalvergleich verhandelt werden und Kärnten einen Beitrag leisten - bis zu 500 Millionen Euro. Außerdem sollen die Länder überredet werden, die Erträge aus der Bankenabgabe dem Bund zu überlassen.

"Ökonomischer Wahnsinn in blauer Handschrift"

Auch der Finanzminister verteidigte die Entscheidung gegen eine Hypo-Insolvenz. Auch wenn er eine solche habe prüfen lassen: "Am Ende waren die Risiken nicht kontrollierbar." Er wolle jedenfalls "die relevanten Interessengruppen zur Reduktion der Last für die Steuerzahler heranziehen". Das bescherte ihm Applaus.

Damit meinte Spindelegger auch Kärnten: "Abputzen geht nicht." Das Land habe ja auch profitiert, auch wenn klar sei: "Das ist ein ökonomischer Wahnsinn, der eine blaue Handschrift trägt."

Geschichtsfälschungsstunde

Das war das richtige Stichwort für den da schon sehr aufgebrachten FPÖ-Chef. Heinz-Christian Strache empörte sich über die "Lehrstunde für Geschichtsfälschung", die die Koalition abziehe. Immerhin hätten in Kärnten SPÖ und ÖVP als "Mittäter" bei den Milliardenhaftungen mitgestimmt, Haider habe sie "leider fortgesetzt". Die FPÖ sieht den großen politischen Sündenfall im Rückkauf der Hypo von den Bayern. Damit "stinkt" etwas, wegen dieser "Leichen im Keller" habe die Regierung Panik vor einem Untersuchungsausschuss, den die vier Oppositionsparteien FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach erneut vergeblich beantragten. Zum Abschluss der Sondersitzung ist erneut ein Oppositionsantrag für einen Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen abgelehnt worden. Die SPÖ-Mandatarin Daniela Holzinger verließ wie schon zuletzt bei der Abstimmung den Saal.

"Historische Fehlentscheidung"

Die "Abbaulösung" lehnen alle Oppositionsparteien ab. Grünen-Chefin Eva Glawischnig nennt sie eine "historische Fehlentscheidung", Team-Stronach-Klubchefin Kathrin Nachbaur würde wie in den USA nicht funktionierende Banken in die Insolvenz schicken, und Neos-Chef Matthias Strolz warf der Regierung vor, falsch, zu spät und zu teuer entschieden zu haben.

Eine grüne Zuneigungsbekundung gen Süden kam dann noch von einem der schärfsten Hypo-Kritiker und -Kenner, Werner Kogler: "Kärnten würden wir nie fallenlassen. Natürlich mögen wir die Kärntnerinnen und Kärntner."

Dem wollte in diesem Moment niemand widersprechen. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 19.3.2014)