Wien - Ein besonders drastischer Fall von sexuellem Missbrauch ist am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht verhandelt worden. Ein 15 Jahre altes Mädchen hatte am 22. Oktober 2013 eine Polizeidienststelle aufgesucht und dort angegeben, es werde seit dem elften Lebensjahr vom eigenen Vater zu geschlechtlichen Handlungen herangezogen. 1.370-mal sei es zu Übergriffen gekommen.

"Sie hat nämlich nachgerechnet. Und es ist jeden Tag außer im Urlaub passiert. Ich bin überzeugt davon, dass ihre Rechnung stimmt", sagte Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel. Opferanwältin Sonja Scheed, die vor Gericht die Interessen der Schülerin vertritt, bemerkte, es habe vonseiten des Täters keines Zwangs oder Gewalt bedurft: "Es ist für sie Normalität geworden. Es war für sie Alltag."

Von DNA-Gutachten belastet

Der Angeklagte - ein 40 Jahre alter Arbeiter - versicherte dagegen: "Ich habe damit nichts zu tun." Er könne sich die Anschuldigungen nicht erklären: "Ich habe immer noch kein Verständnis für ihre Aussage. Bis zum letzten Tag war unser Verhältnis so was von familiär." Es sei möglich, dass ihn die Tochter belaste, "weil sie mit der familiären Situation nicht zufrieden war und vielleicht davon ausgeht, dass sie benachteiligt wird".

Der Mann, der zuletzt mit seiner Ehefrau und fünf Kindern in einer 86 Quadratmeter großen Wohnung in Wien-Margareten lebte, wird allerdings von einem DNA-Gutachten belastet. Weil die 15-Jährige bei der Polizei erzählt hatte, auch am vorangegangenen Tag missbraucht worden zu sein, wurden sie und ihre Bekleidung untersucht. Auf ihrem Pyjama, ihrer Unterhose und auf ihrem Körper fanden sich Spermaspuren, die eindeutig dem Vater zugeordnet werden konnten.

Dessen ungeachtet blieb der Mann dabei, er werde von seiner Tochter zu Unrecht beschuldigt ("Ich will meine Tochter nicht belasten, aber es geht um meine Haut. Es tut mir in der Seele weh, aber was sie sagt, stimmt nicht"). Sein Sperma an ihrem After erklärte er wie folgt: "Ich habe mich am Abend zuvor selbst befriedigt und es mit einem Tuch weggewischt. Das Tuch habe ich weggeworfen. Ich kann mir nur erklären, dass sie das Tuch genommen und es aufgetragen hat."

Verhandlung vertagt

Hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe hoffe er "inständig, dass es heute zu einer Klärung kommt". Die Verhandlung wurde allerdings auf unbestimmte Zeit vertagt, nachdem sich die Ehefrau des Angeklagten der Aussage entschlagen hatte. Der Schöffensenat (Vorsitz: Susanne Lehr) wird neben der auf DVD abgespeicherten mehrstündigen kontradiktorischen Einvernahme der Tochter weitere Zeugen in die Beweiswürdigung einfließen lassen. Darunter befindet sich ein älterer Halbbruder des Mädchens, dem es sich über Facebook anvertraut hatte, als der Leidensdruck zu groß wurde.

Dieser hatte ihr empfohlen, mit einer guten Freundin zu sprechen. Als sie sich an ihre beste Freundin wandte, wirkte diese mit Nachdruck auf die Schülerin ein, zur Polizei zu gehen. Die eigene Mutter hatte sie nicht ins Vertrauen gezogen: Deren älteste, aus einer vorangegangenen Beziehung stammende Tochter war von einem anderen Mann ebenfalls missbraucht worden. Die Mutter hatte ihr nicht geglaubt, was die 15-Jährige wusste. Sie war infolge dessen überzeugt, auch ihr werde die Mutter keinen Glauben schenken. (APA, 20.3.2014)