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Eigentlich wollte Russland heuer beim Wachstum kräftig zulegen. Jetzt sieht es eher nach dem Gegenteil aus.

Foto: Reuters/Katsins

Mit der Annektierung der Krim könnte Russland heuer in eine Rezession stürzen. Bislang rechneten Analysten für das Land mit einem Wachstum von etwa zwei Prozent. Nach dem Absturz der Währung und der unsicheren politischen Situation wurden die Prognosen zuletzt aber revidiert. Anders Aslund vom Peterson-Institut, einem US-Thinktank, rechnet im Gespräch mit derStandard.at mit "zwei bis 2,5 Prozent weniger als erwartet". Die Weltbank geht in einem aktuellen Russland-Report sogar von einem Schrumpfen der Wirtschaft von 1,8 Prozent aus.

Investoren fliehen

Wegen der Krim-Krise fliehen Investoren regelrecht aus Russland. Auch der Kreml selbst rechnet mit einem massiven Kapitalabfluss. Im ersten Quartal wurden bereits bis zu 70 Milliarden Dollar (51 Milliarden Euro) abgezogen, berichtet die "Financial Times" unter Berufung auf den stellvertretenden Wirtschaftsminister Andrej Klepach. Im Gesamtjahr 2013 sind 63 Milliarden Dollar aus Russland abgeflossen. Am Dienstag sagte Russland bereits die vierte Auktion von Staatsanleihen in Folge ab, schon seit Wochen steigen die Risikoaufschläge. Die Absage begründet das Finanzministerium auf seiner Website mit "unvorteilhaften Marktbedingungen", der Kapitalabfluss treibe die Zinsen in die Höhe.

Aslund, der unter anderem Berater der Regierung unter Boris Jelzin war, hält das Handeln Putins für ein wirtschaftliches Desaster: "Putin ist verrückt, das ist Selbstmord." Russland sei nicht in der Position, derart arrogant zu agieren. Auch was die vielzitierte Energiemacht betrifft, hält er Russlands Vorgehen schlicht für selbstschädigend: "Die Hälfte der Gasexporte geht durch die Ukraine", so Aslund.

Auch im militärischen Bereich schade der Bruch mit der Ukraine massiv. Das russische Militär lasse vieles in den ostukrainischen Großstädten Dnipropetrowsk und Charkiw produzieren. Lisa Ermolenko, Analystin bei Capital Economics, stimmt ihm zu: "Viel Kapital fließt aus Russland ab. Russland braucht aber im Gegenteil Investitionen, um aufzuholen." Die politische Unsicherheit zerstöre das dafür notwendige Umfeld.

Auswanderung

Viel drastischer als in Russland seien die Konsequenzen aber für die Krim selbst, sagen Experten. "Keiner will mit Unternehmen auf der Krim Geschäfte machen, Kreditkarten funktionieren nicht mehr, die meisten Touristen kamen aus der Ukraine", sagt Ökonom Aslund. Die Krim werde zum "gescheiterten Staat", außer der Landwirtschaft bleibe nichts übrig, Massenauwanderung sei die einzig logische Folge. Unternehmen selbst tappen im Dunkeln, was ihre Zukunft betrifft. Die Handelskammer der Krim schreibt ihren Mitgliedern etwa: "Wir wissen, dass es derzeit mehr Fragen als Antworten gibt." Man werde aber versuchen, möglichst schnell Informationen aus Russland einzuholen.

Am Montag hat die Krim den Rubel als offizielle Währung eingeführt. Weil das Preisniveau in Russland viel höher ist, rechnet Aslund mit einem Preisschock. Die Inflation werde sofort um 30 Prozent anspringen. Auch WU-Ökonom Joachim Becker rechnet mit einer höheren Inflation, hält den Wechsel der Währung aber für relativ unkompliziert. "Der Rubel ist keine exotische Währung für die Krim, es gibt schon immer wirtschaftliche Verbindungen zu Russland", sagt Becker zu derStandard.at. Langfristig müsse die Krim aber nicht kollabieren, das Schicksal der Region hänge vor allem an Subventionen aus Russland. Durch aus Moskau finanzierte höhere Löhne und Pensionen könnte die Region auch profitieren.

Neben der neuen Währung muss sich die Krim auch über die Wasser- und Stromversorgung den Kopf zerbrechen, die bislang über den Norden der Ukraine abgewickelt wurde. Aus Russland heißt es, man könnte die Halbinsel über eine Meerenge mit dem russischen Netz verbinden. Am Sonntag ist es laut "Financial Times" zu Blackouts in einigen Regionen gekommen. Die Weltbank, die Projekte zur Stabilisierung des Stromnetzes auf der Krim betreibt, muss erst prüfen, ob diese auch fortgesetzt werden. Die Verträge seien mit Kiew abgeschlossen worden, mehr könne man im Moment nicht sagen, heißt es aus der Organisation. (Andreas Sator, derStandard.at, 26.3.2014)