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Trotz der Umweltverschmutzung nimmt die Zahl der Autos in China rasant zu. Fahrräder hingegen sieht man zunehmend seltener.

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China ist auf Wachstum programmiert. In Suzhou, 90 Kilometer westlich von Schanghai, wurde in den vergangenen 20 Jahren eine Millionenstadt aus dem Boden gestampft. Wo früher noch sumpfiges Farmland war, wohnen heute sechs Millionen Menschen. Die Hochhäuser stehen dicht aneinandergereiht.

Auf den Straßen pressen sich die Autos durch den dichten Verkehr. Der Suzhou Industrial Park (SIP) gilt als größter in China und beherbergt 25.000 Unternehmen, 5000 davon aus dem Ausland. Bosch, Samsung, GlaxosmithKline - die Firmenschilder lesen sich wie das internationale Who's Who.

Dass sich die Unternehmen gerade hier ansiedeln, ist kein Zufall. Wer den richtigen Mix bietet - genügend Mitarbeiter, hohe Akademikerquote, Forschungszentrum, eingereichte Patente -, spart zehn Prozent der Steuer und muss statt 25 nur 15 Prozent an die SIP-Verwaltung abliefern. Eine Million Menschen leben im SIP, die als Stadt in der Stadt konzipiert ist - mit eigener Stadtverwaltung, die andenkt, den SIP nun an die Börse zu bringen.

600.000 Arbeitsplätze wurden geschaffen, Tendenz steigend. Denn wo es geht, wird noch ausgebaut. Wer im SIP arbeitet, kann auch hier wohnen und leben. Sogar Luxuswohnungen am Wasser stehen bereit, eine Restaurantmeile ebenso wie Theater und Kino. Wer nicht will, muss die Millionenstadt SIP nicht verlassen.

Dass diese nicht natürlich gewachsen ist, sondern hingestellt wurde, ist allerdings zu spüren. "Es fehlt die Natur, und es fehlen die Menschen", sagt Birgit Murr, Botschaftsrätin der österreichischen Vertretung in Peking. Es würden zwar Opernhäuser gebaut, aber nicht regelmäßig bespielt, weil es kein fixes Ensemble gibt. Das Alltagsleben fehle hier noch. "Schanghai etwa ist eine gewachsene Stadt, alle paar Meter gibt es kleine Geschäfte und Restaurants, da spürt man, dass das nicht künstlich ist."

Aber nicht jeder Industriepark wird so gut angenommen wie der SIP. Rund 5000 solcher Parks gibt es in China - auch, weil die Provinzen und Gemeinden zur Modernisierung angehalten sind. 1,7 Billionen Dollar wurden in den vergangenen Jahren dafür aufgewendet. Das hat auch einige Geisterstädte hervorgebracht. "Es gibt Universitäten, die auf 40.000 Studenten eingerichtet sind - die aber nicht kommen", meint der österreichische Wirtschaftsdelegierte für Schanghai, Raymund Gradt.

Das rasante Wachstum der vergangenen 20 Jahre hat in China auch zu einer enormen Umweltverschmutzung geführt. Luft-, Wasser- und Grundwasserprobleme sind die Folgen. Dabei werde es aber nicht bleiben: "China hat nur sieben Prozent fruchtbares Land bei 20 Prozent der Weltbevölkerung. Wenn man das weiter zupflastert, ist das eine riskante Sache", sagt Murr. Im sozialen Gefüge zeichne sich das Ungleichgewicht ebenfalls ab: China hat 250 Millionen Wanderarbeiter. Das Wohnrecht und Rechte aus der Sozialversicherung hat man aber nur in der Geburtsstadt. Dort können die Kinder zu günstigen Tarifen die Schule besuchen. Die Wanderer, die in die Städte kommen, haben dort diese Rechte nicht, womit sie "Bürger zweiter Klasse sind", sagt Murr.

Internationale Marken

Was man in Suzhou vor allem sieht, sind Autos. Auf den verstopften Straßen und vielspurigen Autobahnen quetschen sich die großen Namen der Branche - Audi, BMW, Volkswagen - durch den Stau. Gefragt sind große Wagen, denn die Familie soll es bequem haben. Ob sich jeder, der das Statussymbol Auto fährt, dieses auch leisten kann, steht auf einem anderen Blatt. Viele Pkws sind kreditfinanziert. Obwohl die Großstädte mit Autos überfüllt sind, kommen auf 100 Einwohner noch weniger als zehn Pkws. Zum Vergleich: In den USA und in Europa sind es rund 50 Autos. Das zeigt das Potenzial, nach dem die internationalen Autobauer gieren.

100 Millionen Pkw

100 Millionen Fahrzeuge bewegen sich durch China. Das gilt als relativ wenig. Der Aufholbedarf hat alle großen Autobauer nach China gelockt - und mit ihnen die Zulieferindustrie. 70 österreichische Unternehmen sind vor Ort in die Autobranche involviert. Steyr Motors hat kürzlich einen Vertrag für ein Dieselmotoren-Werk unterschrieben, und KTM streckt ebenfalls seine Fühler aus.

Der Automarkt in China ist fest in ausländischer Hand. 60 bis 70 Prozent der Autos werden von ausländischen Unternehmen gefertigt. Die Wachstumsraten im Pkw-Markt lagen zuletzt bei sieben Prozent. Gesichert ist dieses Wachstum freilich nicht. Ein Crash bei den Immobilienpreisen, ein Rückgang bei der Lohnentwicklung, und schon "kann die Nachfrage sinken", sagt Gradt.

Der explodierende Verkehr bringt dem Reich der Mitte auch viel Smog. In Peking ist der Abgasnebel mittlerweile so dicht, dass die Sicht oft nur für wenige Meter reicht. Fahrverbote sind dennoch eine Seltenheit. Es gibt aber vereinzelt Beschränkungen für die Autozulassung.

In Schanghai werden pro Monat nur 5000 Zulassungen angeboten. Wer am meisten dafür bietet, bekommt eine. Bis zu umgerechnet 11.000 Euro wurden für eine Pkw-Zulassung bereits bezahlt. In Peking gibt es seit 2011 eine Zulassungslotterie.

Elektroautos sind selten

Was man in Suzhou und Schanghai kaum noch sieht, sind Fahrräder. Neben dem Auto ist der E-Roller bevorzugtes Fortbewegungsmittel. Für Mopeds gilt in Suzhou ein Verbot für Verbrennungsmotoren. Das ist ein erster Ansatz, um den Smog in den Griff zu bekommen. E-Autos sind in China zwar Thema, "durchsetzen werden sie sich aber nicht", sagt Gradt. Denn für die Erzeugung des nötigen Stroms müsste man die Kohlekraftwerke auslasten, was die Luftverschmutzung letztlich verstärken würde. (Bettina Pfluger aus Suzhou, DER STANDARD, 28.3.2014)