Ein Lob der Germteigtechnik.

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Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ. Und es ist pausenlos aktiv, auch im Schlaf, und dann sogar noch mehr als im Wachzustand. Es steuert unser ganzes komplexes Sein.

Die meisten dieser Vorgänge finden im Unbewussten statt, weshalb wir selbst wenig davon mitkriegen und oft auch die Auswirkungen erst dann, wenn Schwellenwerte überschritten werden. Spannungszustände können damit oft viel zu lange auf den gesamten Organismus einwirken. Die Affentechnik ist der erste Teil des Entspannens. Aber wie so oft braucht es einen zweiten Teil, und den möchte ich der Einfachheit halber "Germteigtechnik" nennen (Default Mode Network).

Germteig geht bekanntermaßen dann am besten auf, wenn wir ihn zudecken und ruhen lassen. Unser Gehirn ist da ähnlich konzipiert. In der Ruhephase können Informationen vorsortiert und damit leichter verarbeitet werden. Diese Pausen führen also nicht zum Faulenzen, sondern zum besseren Strukturieren. Und dadurch reduziert sich der Spannungsgrad, und unser Gehirn kann wieder klarer denken. Kreative Ergebnisse lassen sich ja nicht unter Druck erzeugen, sondern oft in solchen "Ruhephasen", wo der Autopilot ungestört rechnen kann. Kinder beherrschen diese Technik noch sehr gut, wir nennen das dann "Löcher in die Luft starren". Es sind kurze Momente, in denen unser Bewusstsein eine kleine Pause macht, wir kurz wegdriften, irgendwohin schauen, ohne konkret oder bewusst etwas wahrzunehmen. Dummerweise wird der Wert solcher Pausen oft nicht verstanden und der Dauerbetrieb, der ohnehin nie stattfindet, als erstrebenswert angesehen. Übertrainieren hat auch im Gehirn negative Effekte.

Regelmäßige Denkpausen einlegen

Die Neurowissenschaften sehen das Bewusstsein als den wesentlich kleineren Anteil am Gehirn, der aber bei voller Leistung bis zu 50 Prozent der Gesamtenergie des Gehirns verbraucht (z. B. bei Multitaskingsimulationen). Das hat natürlich seine energetischen Grenzen, deren Überschreiten bereits lange vor der Wahrnehmung geschieht. Unser Gehirn lagert daher automatisierbare Muster ins Unbewusste (Autopilot) aus.

Unsere Arbeit lässt sich ebenso in Routinehandlungen und hohe Konzentrationsleistungen aufteilen. Jedoch fördern Letztere auch den Spannungsgrad, der ein rechtzeitiges Erkennen oder gar Spüren von Belastung reduziert.

Verspannungen, Kopfschmerzen, Gereiztheit sind die Folgen. Sinnvoll ist es daher, neben dem regelmäßigen Austoben auch regelmäßige Denkpausen einzulegen. Einfach für drei bis fünf Minuten die Gedanken frei wandern zu lassen. Wenn das nicht so einfach gelingt, dann kann das gedachte Summen einer Melodie helfen, das Spüren der Atmung, das Hängenbleiben an einem Bild, den Wolken, das Denken an eine schöne Landschaft. Ablenkung ohne Spannungserhöhung also. Peter Pan kann nur mit Feenstaub und einem wunderbaren Gedanken fliegen. Wenn dies in einem guten Rhythmus über den Arbeitstag verteilt und in Abwechslung mit der Affentechnik geschieht, so brauchen diese Entspannungsmuster gemeinsam etwa 20 Minuten pro Tag. An sehr stressigen Tagen vielleicht etwas mehr, aber Sie werden den Effekt bald und deutlich spüren, messen lässt er sich sofort. Die Wirkung reicht bis tief in den Schlaf hinein. (Johann Beran, DER STANDARD, 29.3.2014)