Dass Poetikvorlesungen höchst unterhaltsam sein können, haben etwa Urs Widmer oder Anselm Glück bewiesen. Und auch Thomas Glavinic, 1972 in Graz geboren, versteht es, die Zuhörer nicht zu langweilen. Für die Buchveröffentlichung seiner vier Vorlesungen, die er im Juni/Juli 2012 an der Uni Bamberg hielt, hat er sogar noch eins draufgesetzt: Er ergänzte die Texte um jede Menge Fußnoten, in denen er sich selbst auf die Schaufel nimmt oder das Behauptete ins Gegenteil verkehrt.

Selten vermögen Schriftsteller eine Theorie anzubieten: Sie berichten bloß über sich selbst. Das hat oft etwas Idiosynkratisches. Nicht anders verhält es sich bei Meine Schreibmaschine und ich von Thomas Glavinic.

Im dritten Kapitel, "Was ich dachte", erzählt er sehr ehrlich über seinen bisherigen Lebensweg: "Mit 18 wusste ich, Schriftsteller will ich werden. Nicht Rennfahrer wie mit 8, als ich Jochen Rindt und Niki Lauda verehrte, und nicht Schachspieler wie mit 12, als ich Weltmeister werden wollte und jeden Tag Theorie und Strategie lernte, nicht Offizier wie mit 14, als ich eine rätselhafte Monarchistenphase durchlief, nicht Lehrer wie mit 15, als ich mich offenbar nach der lebenslangen Sicherheit eines Systems wie einer Schule sehnte, und auch nicht Terrorist wie mit 17, als ich ein bisschen zu viel über die RAF las, nein, ein Schriftsteller zu werden war mein Wunsch." Er berichtet über seine verzweifelten Schreibversuche, über den Ratschlag, den ihm Wilhelm Muster gab, über die mühsamen Recherchen zu seinem ersten veröffentlichten Roman, Carl Haffners Liebe zum Unentschieden. Er gesteht ein, dass ihm Herr Susi misslungen sei, er erklärt, wie er zu den Themen seiner weiteren Bücher bis hin zu seinem großen Entwicklungs- und Abenteuerroman Das größere Wunder kam.

Vieles davon war bereits in den ersten beiden Kapiteln zur Sprache gekommen, aber unter anderen Blickwinkel. In "Was ich mag und was ich nicht mag" porträtiert er sich vielschichtig wie auch widersprüchlich selbst.

Er mag zum Beispiel Mangos und Freiheit, aber er mag nicht, dass er nicht so ist, wie er gerne wäre: "Ich bin ein Gefangener meiner Ängste und Neurosen, und meine Welt ist kleiner, als ich es mir wünschen würde." Andererseits sei er selbstverständlich Autor geworden, "um eines Tages Weltliteratur zu schreiben".

Und dann, im zweiten Kapitel, seziert er, wie er zu seinen Ideen kommt ("Am Anfang steht der Zweifel"), wie er Material sammelt, wie die zu schreibende Geschichte ihr Eigenleben entwickelt - und wie der Autor quasi zum Werkzeug seines Romans wird. Das letzte Kapitel passt leider nicht zu den vorherigen: Glavinic lässt seinem Ärger über dumme Journalisten freien Lauf. Amüsant ist dieses fiktive, schnell hingerotzte Interview aber allemal. (Thomas Trenkler, Album, DER STANDARD, 29./30.3.2014)