Nachher ist man immer schlauer. Jedoch jeder, der seine Tassen noch im Schrank hatte, konnte vor Jahren, als es um das staatliche Abfangen des Hypo-Debakels ging, riechen, dass da etwas faul war, als man die Bayerische Landesbank aus der Verantwortung entließ. Das Desaster war vorhersehbar. Wieso beantwortet heute keiner die Frage, wo die Milliarden hingekommen sind? Wieso lässt man das Volk im Regen stehen? Wer oder was wird gedeckt?

Kolportierte, immer wieder dementierte 19 Milliarden sollen uns Steuerzahlern am Ende der Krise zugemutet werden. Wieso gehen wir angesichts dieser Zumutung nicht auf die Straße? Wieso verweigern wir nicht allesamt unsere Steuerzahlungen, bis man uns endlich sagt, wer oder was hinter diesem Wahnsinn steckt? An allen Ecken und Enden muss gespart werden. Stolz tut die Politik kund, dass diese und jene Maßnahmen Millionen einsparen - doch was ist das in Anbetracht der Milliarden, die verspielt werden?

Munter weiter

Und es geht munter weiter. Herr Essl ist hauptverantwortlich für die Verschandelung dieses Landes und des gesamten Ostens - hier eine abscheuliche Säule, dort ein gräulicher Plastikzaun, den seine Baumärkte unters Volk brachten. Seine Firma wuchs und wuchs, ein Mega-Baumarkt nach dem anderen - Expansion in den goldenen Osten. Jeder, der von Wirtschaft etwas versteht, konnte schon vor Jahren erahnen, dass diese Geschäftspolitik ins Verderben führen musste.

Der fromme Mann gerierte sich als Kunstsammler, wurde von Kunstszene und Politikern umschmeichelt: endlich eine tragende Privatinitiative, die - wie er selbst stets stolz hervorkehrte - ohne Förderungen auskommt, gleich dem amerikanischen Modell. Der Mann sammelte mit Leidenschaft, nach eigenem Gutdünken, und die Szene machte dem Landschaftsverschandler den Hof. Er kaufte, was auch die Kunstexperten in den öffentlichen Institutionen kaufen, was dem Kanon entsprach, aber meist zweite Wahl.

Dann geht seine Firma hops, und der Herr erpresst die Republik: Sammlung gegen Arbeitsplätze. Welch herrliches Argument er da vor allem den Sozialdemokraten in den Mund gelegt hat: Zwei Fliegen mit einem Schlag, Kunstmarkt/Künstler und Arbeitsplätze werden gerettet. Wer glaubt an diese Milchmädchenrechnung? Bei dem Schuldenstand der Firma ist vorauszusehen, dass in spätestens einem Jahr wieder unstillbarer Finanzbedarf herrscht. Dann gehen die Arbeitsplätze erst recht verloren. Und die Republik sitzt auf einer Sammlung, die in dieser Form kein anderer Kunstexperte dieses Landes angelegt hätte. Ein Pyrrhussieg.

Jeder, der aus Not stiehlt, wird eingesperrt. Einen Unternehmer aber, dem die Arroganz aus allen Poren dringt, fängt die Republik, also wir, das Volk, auf. Wir nehmen den Mann in unsere Arme und sagen: "Mein Herr, Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Sie haben dem Land gedient, hier ist Ihr Orden, Ihr Privatvermögen greifen wir nicht an, aber den Dreck, den Sie hinterlassen, die Millionen, die Sie verspielt haben, die übernehmen wir." Und in diesem Fall auch eine Sammlung, die zu 80 Prozent aus mittelmäßiger Kunst besteht, um nicht zu sagen: aus Schrott. Der Essl-Coup wäre ein Hohn, eine Demütigung aller Kulturbeamten der Republik, der Länder, der Stadt Wien, aller Museen, die mit lächerlichen, immer geringer werdenden Budgets hantieren müssen; die Künstler bitten, unter Preis zu verkaufen, oft auch bei überschaubaren Beträgen in drei Jahrestranchen auszahlen, weil ihre mageren Budgets eine korrekte Vorgangsweise nicht zulassen.

Rechtes Pack

Wie lange noch werden diese himmelschreienden Ungerechtigkeiten fortgeführt? Bis es den Leuten so sehr reicht, dass sie endgültig auf das rechte Pack setzen, dann können wir gemeinsam das sinkende Schiff verlassen, denn wer will schon in einer Republik leben, die von NS-Glorifizierern geführt wird? (Edgar Honetschläger, DER STANDARD, 29.3.2014)