Ausstellungsarchitekt Gerhard Abel und Grafikdesigner Stefan Fuhrer haben in der Schallaburg hochemotionale Situationen geschaffen: Gitterverschläge mit Waffen - und mit Verletzungen.

Foto: Andreas Jakwerth

Wien/Schallaburg - Manfried Rauchensteiner, der ehemalige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, stellte für den Prunksaal der Nationalbibliothek eine sehr seriöse Ausstellung über den Ersten Weltkrieg zusammen: An Meine Völker! erzählt anhand von Proklamationen, Plakaten, Briefen, Erlässen, Karten und Fotos die Zeit zwischen der Kriegserklärung an Serbien 1914 und dem Zusammenbruch der Monarchie 1918. Das Material stammt aus der Kriegssammlung der ÖNB - und damit aus Österreich-Ungarn.

Auf der Schallaburg gibt es das Ganze noch einmal: Auch die niederösterreichische Landesausstellung, an der Christian Ortner, der gegenwärtige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, mitgearbeitet hat, handelt die fünf Jahre, die Europa nachhaltig veränderten, ohne strenge Chronologie nach Schwerpunkten ab. Und die meisten Themen werden, weil sie naheliegen, da wie dort beleuchtet: die anfängliche Euphorie, der Krieg der Bilder und die Propaganda, die Kriegsgefangenen und die Invaliden, der Kaiserwechsel, die Frauen im Krieg, das Hinterland, die Verwaltung des Mangels, die Ernüchterung - und schließlich der Beginn der "Historisierung des Krieges" beziehungsweise "Die umkämpfte Erinnerung".

Zum Teil greifen beide Ausstellungen auf die gleichen Dokumente zurück: auf die Proklamationen und Einberufungsbefehle, auf die reizvollen Kriegsanleiheplakate, auf diverse Aufrufe. Das Flugblatt "Unsere Armee braucht Metalle!" von Rudolf Geyer aus 1915 ist auf Deutsch im Prunksaal ausgestellt, die tschechische Variante entdeckt man auf der Schallaburg.

Doch es gibt einen haushohen Unterschied. In Niederösterreich versucht man eine umfassende Darstellung aus verschiedenen Blickwinkeln - und daher mit Exponaten aus ganz Europa. Die Schau setzt auch früher an: Zu Beginn wird die Zeit der Jahrhundertwende skizziert, erst im dritten Raum kommt es zum Attentat auf den Thronfolger in Sarajewo.

Zudem hat man, so die Organisatoren, die bisher größte Ausstellung zum Ersten Weltkrieg bisher zusammengestellt - und wohl auch mit dem bisher größten Einleitungstext: Als Metapher für die Bedeutung des "Großen Krieges" ist die Tafel im Innenhof der Burg gut 14 Meter hoch. Die Schau selbst ist mit über 1000 Objekten eine regelrechte Materialschlacht: Sie erschlägt den Besucher geradezu. Das ist allerdings durchaus positiv gemeint. Man braucht für den Rundgang mehrere Stunden - und ist ob der packenden Inszenierung auch gewillt, lange zu verweilen.

Das Team rund um Christian Rapp operiert mit cleveren "Tricks". Zu Beginn stellt man 15 Protagonisten vor, anhand deren Lebensläufen der Krieg in allen Facetten nachvollzogen werden kann. Von ein paar Ausnahmen wie Karl Kraus oder Egon Erwin Kisch abgesehen, handelt es sich um unbekannte Bürger verschiedener Nationalitäten - und daher Identifikationsfiguren. Und man lädt zu einer Art Schnitzeljagd ein: Im jedem Saal gibt es Abrissblätter, die schließlich, von einem Gummiring zusammengehalten, einen "Sammelband" ergeben.

Vor allem aber haben Ausstellungsarchitekt Gerhard Abel und Grafikdesigner Stefan Fuhrer hoch emotionale Situationen geschaffen. In der klinisch weißen Sanitätsstation werden die Soldaten, die sich gegenüberstehen, mit ihren Uniformen vorgestellt. Das ist recht gespenstisch, auch wenn der Italiener eigenartigerweise auf der Seite der Mittelmächte steht. Sogleich folgt ein äußerst beklemmender Gefängnisgang: Hinter Gitterverschlägen sieht man rechts die Waffen, links die schlimmsten Verletzungen. Dazu hört man das unaufhörliche Klicken eines Abzugs. Heavy. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 29.3.2014)