Im Film "Minority Report" ist die Polizei imstande, gegen zukünftige Straftaten schon im Vorhinein zu ermitteln. Das EU-Projekt INDECT forscht, wie solche Szenarien tatsächlich vorausgesehen werden können.

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Die Vernetzung der Überwachung soll es möglich machen.

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"Womit rechtfertigt die EU nach massiver Kritik an den NSA-Spähprogrammen ihr eigenes Überwachungsprojekt INDECT?", fragt User Dymler.

INDECT ist ein Forschungsprojekt der Europäischen Union, das 2009 gestartet ist und bis 30. Juni abgeschlossen sein soll. Ziel des Projekts, bei dem europäische Universitäten und Sicherheitsfirmen zusammenarbeiten, ist es, ein intelligentes Überwachungs- und Informationssystem zu entwickeln, das die Sicherheit von EU-Bürgern in städtischer Umgebung stärkt. Aus Österreich ist das Institut für Electronic Engineering der FH Technikum Wien beteiligt.

INDECT soll sämtliche Daten aus Foren, Sozialen Netzwerken (z. B. Facebook) und Suchmaschinen des Internets mit staatlichen Datenbanken, Kommunikationsdaten und Kamerabeobachtungen auf der Straße verknüpfen und mit den so ermittelten Mustern helfen, Gefahrenzeichen frühzeitig zu erkennen. Das "Erahnen" von Straftaten soll damit ebenso möglich gemacht werden wie das schnelle Registrieren von Umweltkatastrophen oder einer etwaigen Massenpanik. Bisher passiert das Simulieren und Erproben dieser Techniken nur zu Forschungszwecken und an abgeschirmten Orten. Gerüchte, dass Programme von INDECT während der Fußball-EM in Polen und der Ukraine bereits zum Einsatz gekommen sein sollen, wurden stets dementiert.

Ziele bleiben offen

Die Szenarien, die an die Umsetzung der Utopien im Film "Minority Report" erinnern, werden von Datenschützern vehement kritisiert. "Es wird hier die automatische Überwachung der Zivilgesellschaft entwickelt", sagt Markus Kainz vom Datenschutzverein Quintessenz. Die Tatsache, dass man nicht wisse, was mit den Ergebnissen von INDECT letztendlich passiert und wo sie Verwendung finden, sorgt für zusätzliche Skepsis. "Wenn wirklich breiten Teilen der Bevölkerung bewusst gemacht wird, was hier technisch alles möglich ist, wäre längst Feuer am Dach", so Kainz.

Nach einer Reihe von Bedenken, die in den letzten Jahren zum Beispiel auch seitens des EU-Parlaments vorgebracht wurden, haben sich die Entwickler von INDECT in der letzten Phase des Projektes auch damit gerechtfertigt, dass sich ein wesentlicher Teil mit Datenschutz beschäftige und damit, wie zum Beispiel Bilder von Überwachungskameras anonymisiert werden können. Der NSA-Skandal im vergangenen Jahr hat hingegen zu keiner Grundsatzdiskussion geführt, ob und in welchem Rahmen die EU eine Überwachungsgesellschaft mit solchen Forschungsprogrammen forciert. Ein Nachfolgeprojekt ist bereits in Planung.

Das primäre Ziel von INDECT ist es im Gegensatz zur NSA nicht, Abhör- und Überwachungsmechanismen zu optimieren, sondern mit den so gesammelten Informationen zu automatisierten Ergebnissen zu kommen, die auch das Vorhersagen von Terrorismus und kriminellen Aktivitäten zulassen. "Das Grundsatzproblem ist: Wenn dabei jemand unschuldig zum Handkuss kommt, ist das egal", sagt Markus Kainz. "Und ob ein Terrorist sich tatsächlich verdächtig bewegt, muss man auch infrage stellen." (tee/ast, derStandard.at, 2.4.2014)