Zu Zeiten, als Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Attersee, Günther Brus etc., etc. noch aufs Mieseste angefeindet wurden, hat sich der Unternehmer und Industrielle Karlheinz Essl zusammen mit seiner Frau vor diese Künstler der zeitgenössischen Moderne gestellt. Er hat sie nicht nur gesammelt, sondern öffentlich verteidigt - zum Beispiel gegen Kampagnen der FPÖ, aber auch anderer österreichischer Hinterwäldler und Kunstfeinde.

Ein durchaus konservativer, christlich-protestantisch geprägter Unternehmer, zweifellos ein Patriarch und - wohl auch zu seinem Unglück - ein ziemlich autoritärer Entscheider, hat die Bedeutung dieser Künstler erkannt und sich relativ früh zu ihnen bekannt. Es sind noch andere Industrielle zu nennen, wie etwa Hans Peter Haselsteiner oder Herbert Liaunig, die die "klassische Moderne" der österreichischen Zeitgenossen gesammelt haben und ausstellen (Haselsteiner etwa die riesigen Gironcoli-Skulpturen in der Strabag-Zentrale in Wien, Liaunig einen Querschnitt in seinem auch architektonisch kühnen Museum in Kärnten).

Private Sammler waren und sind unverzichtbar für die zeitgenössische Kunst, und es handelt sich keineswegs um eine "Mesalliance zwischen Kunst und Kapital", wie die Kunstkuratorin Angela Stief kürzlich in einem STANDARD-Gastkommentar meinte. Das (überwiegend jüdische) "Kapital" war der Träger der Moderne um 1900. Thronfolger Franz Ferdinand wollte da noch Oskar Kokoschka "jeden Knochen im Leibe brechen".

Daran ist zu erinnern, weil sich wieder einmal ein Ton der Häme und der Kunstfeindlichkeit in die öffentliche Debatte schleicht. Hermann Nitsch ist in der Krone bereits vorverurteilt, uralte Ressentiments werden von einer Allianz der Reaktionäre wieder hervorgeholt. Die Familie Nitsch hat den Fehler begangen, einen amtsbekannten Privatdetektiv mit der Aufklärung eines Einbruchsdiebstahls in Prinzendorf zu beauftragen. Sie hätte wissen müssen, dass sich der Mann gerne mit seinen Auftraggebern in finanziellen Fragen überwirft. Wer ihn beauftragt - wie Jörg Haider oder ein oberösterreichischer Unternehmer - hat mit Anzeigen, Klagen und Gegenklagen, meist ums Honorar, zu rechnen. Dietmar Guggenbichler zeigte, offenbar nach einem Honorarstreit, seinen Auftraggeber Nitsch wegen Schwarzgeld an. Die Finanz rückte an und, welch ein Zufall, ein Team der FPÖ filmte die Hausdurchsuchung mit.

Nitsch ist ein Mitbegründer der Kunstrichtung des "Wiener Aktionismus". Am Anfang seiner Karriere stand wegen seiner Arbeit die Drohung mit dem Gefängnis; noch als er erste Erfolge hatte, wurde die Polizei auf ihn gehetzt. Günther Brus musste seinerzeit vor der Verfolgung der österreichischen Sittenwächter nach Berlin flüchten (wo ihn ein weltoffener Konservativer, der verstorbene Botschafter Fritz Hoess, vor der Auslieferung bewahrte). Im Fall Nitsch muss dem Verdacht des Bilderverkaufs an der Steuer vorbei selbstverständlich nachgegangen werden. In der heimischen Rechtsordnung ist allerdings die prophylaktische Strafe des Prangers nicht vorgesehen.

Doch die Krone sabbert von "Blutkünstler " (!) im "Schloss" (!!) mit "perversen Sexpraktiken" (!!!). In der Krone erscheint ja traditionell nur saubere Kunst - als etwa noch Hans Dichand senior den Kärntner Heimatkünstler Switbert Lobisser (Fresko im Kärntner Landtag: Kärntens Heimkehr ins Reich) zum Muttertag aufs Titelblatt hob.

Das Ehepaar Essl hat eine riesige Sammlung der österreichischen und internationalen Moderne aufgebaut. Dass Essl nun den gesamten Bestand an die Republik verkaufen will, um a) sein Unternehmen Baumax zu retten und b) die Sammlung zusammenhalten, wird sich so wohl nicht verwirklichen lassen. Allerdings ist die Aussicht, dass die Sammlung unkontrolliert und ohne Rücksicht auf Verluste von den Gläubigern abverkauft wird, auch nicht begeisternd. Vor allem aber sollten die öffentliche Diskussion und alle in diesem Zusammenhang notwendigen Maßnahmen von Respekt für die Künstler und die Sammlerpersönlichkeit getragen sein. Österreich braucht keinen Rückfall in die Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts mit Hass, Häme und behördlicher Verfolgung gegen die Besten seiner Kunstwelt. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 2.4.2014)