Xi Jinping gab für seine eben angebrochene Herrschaftsperiode in Peking die Devise vom "chinesischen Traum" aus, den es im kommenden Jahrzehnt zu verwirklichen gelte. Und die Propagandaspezialisten des Staats- und Parteichefs ließen die Nachricht trommeln, dass die Antikorruptionskampagne Xis der Anfang dieses sich hurtig materialisierenden Traums sei. Allein: Zwischen Traum und Wirklichkeit passt auch in Peking eine Wagenladung kühl kalkulierter Machtpolitik.

Dass Korruption in China endemisch ist und Kader daraus ein Geschäftsmodell gemacht haben, ist evident. Luxusmeilen wie die Canton Road in Hongkong leben davon, dass dort Präsente europäischer Designermarken eingekauft werden, um Chefs (und deren Frauen) günstig zu stimmen. Verfolgt allerdings wird nicht jeder, auch wenn man nun hinter "Fliegen und Tigern" her sein will. Es wird vielmehr sehr genau selektiert, wer drankommt und wer nicht.

Xi hat zuletzt höchste Funktionäre aus den Sicherheitsapparaten ausheben lassen: zuerst den früheren Polizeiminister Zhou Yongkang, nun gibt es eine Anklage gegen General Gu Junshan. Letzterer gehört zur Seilschaft des mächtigen Vizechefs der Militärkommission, Xu Caihou. Das Signal Xis ist klar: Er wird auch vor Polizei und Volksbefreiungsarmee nicht haltmachen, wenn es um seine Macht geht. Wer mit ihm ist, hat indes nichts zu befürchten - auch wenn er korrupt bis unter die Haarspitzen ist. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 2.4.2014)