The Body vereinen hippe Vollbärte, Metal und Tod.

Foto: Adam Heathcott & Sara Padgett

Bobby Krlic alias The Haxan Cloak hat 2013 mit seinem Album Excavations das düsterste Album des Jahres produziert. Der Londoner Elektronikproduzent zerrte die erdschweren Bässe des Dubstep und ähnlich narkotisierende Musiken tatsächlich hinein in die Grube. Er verhandelte dort in einem zum Dancefloor umgebauten Sarg das Leben nach dem Tod - oder warum sich das rein biologisch etwas schwierig gestalten könnte. Das Holz des Erdmöbels mit der Disco darin ächzte und krachte aufgrund des Drucks. Von oben schaufelte jemand Erde drauf. Bald drang kein Tageslicht mehr durch die Ritzen. Selbst die allergrößten Optimisten ahnten nun, dass "unten" hier nicht einmal zum Trotz "oben" bedeuten konnte. Unten ist unten. This is really the Ende. Aus. Wenn man also die Gewissheit hat, dass kein Hahn mehr nach einem kräht, kann Krlics neueste Arbeit den Schmerz über das Sterben zu Lebzeiten etwas mindern. The Haxan Cloak hat nun das neue Album der US-amerikanischen Metalband The Body produziert.

Tod durch Lautstärke

The Body stammen aus Arkansas. Dort kann man als junger Mensch nicht viel tun, außer auf der Wiese zum Spaß Rinder umwerfen, oder Heustadl anzünden und Klebstoff schnüffeln, oder Filme im Internet anschauen, die aus gutem Grund nie ins Kino gekommen sind. Sie tragen also jede Menge Protest und Hass auf die Langeweile in der Welt in sich und sind dementsprechend mit dort - wie auch in unzugänglichen Regionen Österreichs - noch immer auf die männliche Jugend enorm einflussreichem Metal aufgewachsen.

Jetzt einmal so als Behauptung: Metal ist die letzte große Protestmusik. Er quengelt und kreischt, er grunzt und tritt geisteskrank das Gaspedal. Er bremst herunter bis zum Herzstillstand einer Schildkröte. Er geht mit heftiger Quälgeisterei und Sehnsucht nach Tod durch Lautstärke tatsächlich JEDEM Erwachsenen auf den Sack. Aber voll.

Irgendwann ist Metal allerdings auch für die hippen jungen Leute mit Matura interessant geworden. Er wird heute parallel zu Waldelfen-Folk in den Kaffeestuben von Williamsburg, New York, ebenso geschätzt wie in San Francisco oder Portland, Oregon. In der Welthipsterhauptstadt Portland sind The Body mittlerweile auch ansässig. Lee Bruford am Schlagzeug und der für inferiores Geheul und bassbetontes Saitenspiel zuständige Chip King weisen dabei nicht nur lange Bärte als imageträchtiges Kapital auf. Nach ihrem Album All The Waters Of The Earth Turn To Blood von 2011 und verlangsamten Basisstudien im Doom- und Sludge-Metal, auf dem sie die klassischen Gesänge des Assembly Of Light-Chores mit sperrigen Industrialklängen verbanden, veröffentlichen sie nun auch endlich ihr Meisterwerk.

I Shall Die Here erscheint in Zusammenarbeit mit The Haxan Cloak auf dem angesagten New Yorker Label RVNG, das ansonsten auch hippe elektronische Acts wie Holly Herndon oder Stellar Om Source oder Songwriterin Julia Holter beheimatet(e). Die sechs neuen Stücke von The Body beweisen, dass dieses konservative Genre sehr zum Entsetzen der angestammten Klientel durchaus heftige Innovationsschübe verträgt. Zu verfremdeten Vokalpassagen über die im Metal seit Jahrzehnten gängigen Endzeitthemen wie To Carry The Seeds Of Death Within Me oder The Night Knows No Dawn oder Darkness Surrounds Us wird nicht nur der Abgrund untersucht. Der tut sich in der Pause zwischen im Echoraum verendenden Schlägen auf die Snaredrum und schweren Gitarrenakkorden auf. Auch die zwischengeschaltete Elektronik sorgt dafür, dass den Hörer bei den Stücken oft der kalte Hauch des Todes anweht. Es dröhnt und rumst, wenn es das nicht tut, flirrt es bedrohlich. Man bekommt es mit der Angst zu tun. Der Tod wirkt gar nicht mehr so schlimm. Man nennt das intensive Musik. Intensität gibt es im Leben selten genug. Intensität ist hip. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 4.4.2014)