Die Wiener Historikerin Katrin Unterreiner wohnt in einem Barockhaus mitten im ersten Bezirk. Michael Hausenblas hat sie in ihrer Wohnung besucht und das vielleicht kleinste Bad von ganz Wien gesehen.

"Ich muss überlegen, wie lange ich hier schon wohne – es sind wirklich schon neun Jahre. Die Wohnung liegt im vierten Stock und direkt unter dem Dach eines Barockhauses aus dem 18. Jahrhundert. Lift gibt es keinen. Somit erspare ich mir das Fitnesscenter, vor allem wenn ich vom Einkaufen heimkomme. Die Raumhöhe ist sehr niedrig und die Zimmer eher klein, schließlich war das auch keine Beletage. In diesen Räumen waren eher die Dienstboten untergebracht.

Katrin Unterreiner im Wohn- und Arbeitszimmer ihrer Innenstadtwohnung. An ihren Büchern arbeitet sie allerdings lieber im Bett oder in der Küche. (Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Von meinen Fenstern aus blicke ich auf die Grünangergasse und denk mir immer wieder, dass das eines der nettesten Wiener Grätzel ist – abseits des Touristentohuwabohus und doch nur einen Katzensprung vom Stephansplatz entfernt. Im Nebenhaus hat übrigens Franz Grillparzer gewohnt. Eigenartigerweise ist die Gedenktafel, die darauf hinweist, am falschen Haus angebracht.

Es ist hier wie auf dem Land. Man kennt einander, in der Früh hört man die Kirchenglocken, die Vögel, die am Dom hausen, und die Enten im Innenhof des Franziskanerklosters.

Die Wohnung, in der ich zur Miete wohne, misst knapp 80 Quadratmeter. Es gibt eine Wohnküche, ein Arbeits- und Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Die Türen sind sehr alt, ebenso die Fenster und der Stuck an der Decke. Ferner möchte ich behaupten, dass ich das kleinste Bad von Wien habe! Das hat keine eineinhalb Quadratmeter. Ich glaube, das ist wohl auch der Grund, warum diese Wohnung ein Jahr lang leergestanden ist. Mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt, dass ich mich im Bad nicht einmal g'scheit umdrehen kann. Ist mir inzwischen egal. Obwohl: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre das wohl eine Badewanne.

Die wünsche ich mir mehr als einen Garten. Mein Garten ist der Franziskanerplatz. Ich habe früher in einer Dachterrassenwohnung gelebt. Es fehlt mir überhaupt nicht, der Sklave der Pflanzen zu sein und vor jeder Reise überlegen zu müssen, wer sich um sie kümmern wird. Mir passt das hier sehr gut, ich wüsste nicht, warum ich hier wegziehen sollte. Ich arbeite ja auch hier – witzigerweise mehr am Küchentisch und im Bett als an meinem Schreibtisch.

Die Einrichtung der Wohnung würde ich als Mix bezeichnen. Es sind vorwiegend alte Dinge von meiner Familie, mit denen ich mich umgebe, beispielsweise der schiefe Geschirrkasten von der Urgroßtante. Modern ist anders. Dieser Stil entspricht meinem Wesen. Ich hatte nie das Bedürfnis nach klaren, reduzierten Strukturen. Übrigens habe ich auch ein gestörtes Verhältnis zu Teppichen und Schränken. Ich denke, das liegt daran, dass mein Vater diese sammelte. Das macht das Aufbewahren von Kleidung nicht gerade einfacher.

Kann schon sein, dass das Umgebensein von älteren Dingen mit meinem Beruf zu tun hat. Ich glaube aber nicht. Ich lebe ja nicht im 19. Jahrhundert, sondern schreibe nur darüber. Aber vielleicht prägt das doch – wer weiß.

Der Wohnstil erzählt viel über Menschen. Als ich zum Beispiel über Katharina Schratt, die Geliebte von Kaiser Franz Joseph I., geschrieben habe, ist mir auf Fotos aufgefallen, wie sehr sie ihre Wohnung mit Vitrinen vollgestopft hatte, in denen sie ihren ganzen Besitz zur Schau gestellt hat. Das sieht zum Teil schrecklich aus. Sie wollte, dass einfach jeder diesen Luxus sieht. Das war typisch für sie. Die Schratt stammte aus sehr einfachen Verhältnissen und war ein Mensch, dem materielle Werte extrem wichtig waren. Deshalb hat sie sich auch an Männern orientiert, die ihr dies bieten konnten. Und ich finde, das sieht man eben auch an der Art, wie sie wohnte." (DER STANDARD, 5.4.2014)