Ein hässlicher Streit überschattet die 20-Jahr-Gedenkfeier des Völkermordes in Ruanda. Dessen Präsident Paul Kagame wirft Paris vor, bei dem Genozid eine "aktive Rolle" gespielt zu haben; die französische Diplomatie drohte sogar, die Zeremonien zu boykottieren.

Der zunehmend selbstherrlich agierende Kagame mag auch aus innenpolitischen Gründen in die ungelöschte Glut der französisch-ruandischen Beziehungen geblasen haben. Bei der unvorstellbaren Schlachterei, die in wenigen Wochen mehr als 800.000 Opfer forderte, darf man sich aber auch nicht wundern, dass die Hinterbliebenen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können oder wollen. Viele Fragezeichen bestehen weiterhin zur Rolle Frankreichs vor und während des Völkermordes von 1994, das heißt zur vorangegangenen Ausbildung der Hutu-Milizen und zur ambivalenten französischen Operation Turquoise.

Diese Umstände bleiben in Paris so tabu wie die tieferen Motive: Expräsident François Mitterrand unterstützte frankofone Hutu-Hetzer und -Rassisten gegen die anglofonen Tutsi-Rebellen. Das war kein Ruhmesblatt für die Nation der Menschenrechte. Doch immerhin griff die französische Armee in Ruanda ein, so wie sie derzeit auch in Zentralafrika präsent ist, um den Massakern an einer (muslimischen) Minderheit ein Ende zu bereiten. Die übrigen Europäer schauten 1994 in Ruanda wie 2013 in Zentralafrika hingegen tatenlos zu. War das vielleicht besser? (DER STANDARD, 7.4.2014)