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Bei der Langen Nacht der Forschung vergangenen Freitag konnten Besucher in ganz Österreich selbst in die Rolle des Wissenschafters schlüpfen.

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Wien - Es wirkt wie an einem gewöhnlichen Nachmittag im Museumsquartier. Wären da nicht große weiße Zelte und eine Bühne, vor denen eine Menschentraube steht. Die "Technologie-Insel" ist eine der Stationen der Langen Nacht der Forschung, die vergangenen Freitag österreichweit stattfand.

Mitarbeiter in T-Shirts mit der Aufschrift "this is what an innovator looks like" zeigen, wie man den besten Papierflieger faltet oder informieren über umweltfreundliche Energie. Auf der Bühne schlägt der Physik-Kabarettist und Planetarium-Direktor Werner Gruber zwei Eier in ein Glas und gibt reinen Alkohol dazu. In wenigen Sekunden gerinnen die Eier zu einer Eierspeise. "Was passiert im Gehirn, wenn man Alkohol trinkt?", fragt er ins Publikum, das mehrheitlich aus Kindern und ihren Eltern besteht.

Keine Antwort. Es scheint schwerzufallen, einen Zusammenhang zu finden. Die Gratis-Frankfurter mit Senf und Kren finden mehr Anklang als das Experiment. "Wer gescheit ist, bekommt etwas - wie im richtigen Leben", lockt Grubers Assistent. Des Rätsels Lösung: Das Gehirn besteht aus Eiweiß, und die Eiweißmoleküle entrollen und vernetzen sich, wenn man Alkohol trinkt.

Nicht nur Naturwissenschaft und Technik stehen auf dem Programm: Auch Literatur und Sprache sind Grundlage verschiedener Forschungsprojekte. Im Wiener Literaturhaus warten die Besucher auf den Beginn der Podiumsdiskussion zu Elfriede Jelineks Sprache für Sexualität in ihrem Roman Lust. Der Schwerpunkt liegt auf Übersetzungen ins Englische, Französische, Kroatische und Russische. "Es geht darum, wie ein Text in verschiedenen Ländern umgesetzt wird und mit welchen Problemen die Übersetzer konfrontiert waren", sagt Silke Felber, Leiterin des Forschungsprojekts "Tabu: Bruch. Überschreitungen von Künstlerinnen" an der Universität Wien. In einem Workshop haben die Übersetzer ihre Probleme diskutiert, die sie nun vor hauptsächlich weiblichen Gästen vortragen.

Wissenschaftsvermittlung

Obwohl die Webseite der Langen Nacht der Forschung am Nachmittag nicht abrufbar war, fanden 136.500 Besucher in ganz Österreich zu der von Wissenschafts- und Verkehrsministerium finanzierten Veranstaltung. In der Aula der Wissenschaften in Wien gibt es kurz vor 20.00 Uhr wegen des großen Andrangs Blockabfertigung.

Mit später Stunde wird auch das Publikum älter. Vereinzelte blaue Luftballone zeigen, dass auch Kinder unter den Gästen sind. Im Jesuitensaal ist es heiß, und es riecht nach zu oft geatmeter Luft. Manche Besucher sitzen auf dem Boden, andere stehen gedrängt vor dem Eingang, um einen Blick auf die Bühne zu erhaschen. Das Licht wird gedimmt, der Saal verstummt: Der Science-Slam beginnt.

Innerhalb von sechs Minuten soll ein Forschungsprojekt verständlich erklärt werden. Am Schluss wählt das Publikum den Sieger. An diesem Abend findet das Finale des nationalen Slam-Turniers statt, bei dem sich vier Jungforscher duellieren.

Verkleidet mit Flügeln, Fliegenaugen und Fühlern läuft Martin Moder surrend über die Bühne und beginnt seinen Vortrag. Der Molekularbiologe beschäftigt sich mit Krebs, wofür Fruchtfliegen Antworten liefern können.

Zwei Drittel jener Gene, die bei Menschen Krankheiten verursachen, wenn sie defekt sind, hat auch die Fruchtfliege. Nach sechs Minuten tickt eine Uhr. Moder wird mit Applaus von der Bühne verabschiedet und zum Sieger gekürt. Science-Slams seien eine gute Möglichkeit Wissenschaft zu vermitteln: "Ich verstehe oft komplexe Themen auch nicht sofort. Da ist es ein Vorteil, wenn sie einfach und humorvoll erklärt werden", sagt der Student.

60 Jahre Cern

Zwei Stockwerke unter dem Jesuitensaal nimmt eine interaktive Ausstellung über 60 Jahre Cern das Erdgeschoß ein. Die Wiener Physiker des Instituts für Hochenergiephysik (Hephy) geben Auskunft. Die sogenannten Funkenkammer macht kosmische Strahlung sichtbar. Treffen Myonen, hochenergetische Teilchen, auf die Atmosphäre ziehen sie Funken nach, die in der Kammer als Blitze erkennbar sind. Auf einem flipperähnlichen Screen können die Besucher vom Luftbild von Genf immer weiter in das Forschungszentrum Cern hineinzoomen. Drückt man auf den Knopf in der Mitte, startet der Teilchenbeschleuniger, und eine Animation zeigt den mehrstufigen Beschleunigungsprozess.

Die Lange Nacht der Forschung fand erstmals 2005 statt, heuer machten zum ersten Mal Forschungszentren und FHs aus allen Bundesländern mit. Das Programm umfasste 1789 Stationen an 234 Ausstellorten. Die Veranstalter sprachen von einem Rekordandrang. (Selina Thaler, DER STANDARD, 9.4.2014)