Reisen sollte ein heldenhafter Ausbruch aus dem Alltag sein, zeigen Adrian Vonwiller und Ligia Fonseca mit "Superman im Vogelkäfig"...

Foto: Ligia Fonseca

...und kann trotzdem zu launigen Bildunterschriften führen: Havanna – Calle Obispo. Kuba ist ein Audio-Erlebnis.

Foto: Ligia Fonseca

Kasachstan: Platzkartnyi in der Turksib – gut, dass Fotos nicht riechen!

Foto: Ligia Fonseca

Auf dem Schiff in Indonesien: Wir sind schon oben und haben einen Platz. Einmal alle zwei Wochen kommt es. In so einer Situation wurde uns die Kamera gestohlen.

Foto: Ligia Fonseca

Darwin: In Australien gibt es so viele DOs and DONTs, dass sogar der Maskenkibitz wartet bis es grün wird, um über die Straße zu gehen.

Foto: Ligia Fonseca

"Our son won't perish when our doomed world explodes, Lara. This rocket will take the baby to a safe world – Earth!" (Superman, Volume 146, Juli 1961)

Foto: Ligia Fonseca

"Die Welt ist nicht genug" heißt es unbescheiden bei James Bond. Das Buchprojekt Superman im Vogelkäfig formuliert das Pauschalurteil über unseren Heimatplaneten vorsichtig großzügiger: "Die Welt ist trotzdem schön" lautet Adrian Vonwillers persönlicher Schlussbefund auf Seite 235 – nach vier Kontinenten, 44 Ländern und 825 Tagen. "Unglaublich schön", trotz der vielen Menschen, die "sich auf Reisen von Lonely Planet führen lassen und banal reden und idiotisch lachen und lästig sind", lässt er in den letzten Zeilen sogar den empathischen Erdenversteher heraushängen.

Der 1956 geborene Schweizer Sänger und Komponist hatte nie geplant, eine Weltreise zu machen. Und erst recht nicht, danach über (Gott und) die Welt ein Buch zu schreiben oder gar der Erde und deren Benutzern Bewertungen zu geben wie auf TripAdvisor. "Schauen wir einmal, wo außerhalb Europas wir bleiben wollen", sagten sich Vonwiller und die Grafikdesignerin Ligia Fonseca bloß, nachdem sie ihre Wohnung komplett aufgegeben hatten und mit nur zwei acht Kilogramm schweren Rucksäcken loszogen. Vielleicht passt ja Brasilien, wo Fonseca 1978 geboren wurde, vielleicht aber auch etwas Anderes. Jeder Ort schien für sie als neuer Wohnsitz grundsätzlich denkbar. – jeder außer Vonwillers "Lieblingskontinent" Afrika, der trotz sechsmaliger Überquerung des Äquators im Rahmen dieser Reise nicht besucht wurde: "Der geht nicht so auf die Schnelle", sagt er über das Stückerl Welt zwischen Tanger und Kapstadt.

Irgendetwas Heimeliges sollte sich aber finden lassen unter Zielen wie der iranischen Hauptstadt Teheran, Ulan-Ude in Sibirien oder der Salomonen-Insel Malaita, möchte man meinen. War aber nicht so. Also suchten die beiden immer weiter, mit Bussen, Zügen, Fähren, per Autostopp und zu Fuß – nur das Fliegen ließen sie aus, bis auf kurzfristig notwendig gewordene Ausnahmen wie die Strecke zwischen Timor-Leste und Australien. Die wurde von der einzigen verbliebenen Reederei für den Personenverkehr auf einmal nicht mehr angeboten. "Es war aber auch eine bewusste Entscheidung, so wenig wie möglich zu fliegen", sagt Fonseca. "Mit dem Flugzeug bist du irgendwann einfach da, mit jedem anderen Verkehrsmittel kommst du an", ergänzt Vonwiller.

Elektronischen Tand wie Laptops oder Tablet-Computer betrachteten beide als unnötigen Ballast beim "Eh-nur-schauen-wo-man-bald-leben-wird-auf-der-Welt" und packten nichts dergleichen in ihre Rucksäcke. Vonwiller schrieb ein bisserl was in Schulheften auf, tippte hie und da ein paar Worte in ein Uralt-Klapperhandy mit ausziehbarer Tastatur, vor allem aber schickte er regelmäßig aus Internetcafés Nachrichten an Freunde und Verwandte. Diese E-Mails, nie mit dem Betreff "Buchprojekt" abgeschickt, sollten schließlich die Basis von Superman im Vogelkäfig werden.

Die Welt im Profil

Ligia Fonseca und Adrian Vonwiller in einer Berghütte in Ecuador auf 5.020 Meter.
Foto: Ligia Fonseca

Die 240 Seiten zwischen Cover und Rücktitel, über Orte zwischen Wien und São Paulo, sind ein Trip mit vermeintlich leichtem Gepäck aus Zufälligkeiten, die in Wahrheit oft penible Planung erforderten. Alleine die Visen, die die beiden für die zum Teil vorbestimmte Route besorgen mussten, ergaben eine erkleckliche Anzahl. Und doch pickt an den Texten die wohltuende Beiläufigkeit von unterwegs Aufgenommem, wie man es im Profil jedes Wanderschuhs finden kann. Durchaus auch Gedanken, die es nachvollziehbar machen, warum sie Vonwiller in Buchform mit dem Untertitel "Die politisch-unkorrekte Weltreise" rückversicherte.

"Die Griechen sind faul, sehr faul, sensationell faul – wie die Schweizer. Der Traumberuf eines Schweizers ist: Schäfer ohne Schafe", schreibt er. Doch die explizite Kennzeichnung der politischen Unkorrektheit ist nicht mehr als die Fleißaufgabe des studierten Politikwissenschafters Vonwiller. Nie spielt er mit Klischees, ohne ebenso bissige Worte über den größten Klischeeträger zu verlieren: Der Westler in seiner Erscheinungsform als Tourist kommt am allerwenigsten ungeschoren davon – wie ein Schweizer Schaf eben.

16.000 Fotos nahm Fonseca unterwegs auf, und die abgedruckten sind deutlich mehr als nur der bunte Teil über Vonwillers launigen Bildunterschriften. Viele zeigen so selten gewordene Reportagekraft – es sind stets als Schnappschüsse getarnte Momentaufnahmen einer Welt, zwischen der Welten liegen -, dass die Leser für den ab Seite 79 köstlich beschriebenen Rückkauf von Fonsecas in Indonesien gestohlener Pocketkamera echt dankbar sein sollten.

Und der Buchtitel? Die unterwegs abgelichtete Superman-Figur in einem Vogelkäfig symbolisierte für die beiden am besten, was Reisen heute ist: allen theoretischen Möglichkeiten zum Trotz ein Gefängnis, aus dem man real ausbrechen muss, um ein Held zu sein.

(Sascha Aumüller, DER STANDARD, Rondo, 11.4.2014)