Doppel-Phaeton von Gräf und Stift: In diesem Auto wurde Geschichte geschrieben. Heute ist der Wagen ein Exponat im Heeresgeschichtlichen Museum Wien.

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Erzherzog Franz Ferdinand beim Kaisermanöver 1902.

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Das hoheitliche Gefährt: ein 20-PS-Lohner-Porsche.

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Der Vortag von Peter und Paul war ein strahlender Sommertag. Der 15-jährige Kadett der technischen Militärakademie Mödling lief aufgeregt in der elterlichen Wohnung in Sarajevo, wo sein Vater stationiert war, hin und her." So beschrieb mein Vater Walter Urbanek 50 Jahre später in einer führenden Wiener Tageszeitung den Morgen dieses verhängnisvollen Tages.

Die Chance, den obersten Befehlshaber der Armee, Franz Ferdinand, persönlich aus der Nähe zu sehen, war einmalig. In Ausgehuniform zog der Zöger, wie das damals militärisch hieß, voll adjustiert mit seiner Schwester Richtung Appelkai – eine breite Allee entlang der Uferbefestigungen der Miljacka, die durch das Stadtzentrum führte.

Keine Sicherheitsvorkehrungen

Die erste Überraschung für die zwei Jugendlichen: kein Kordon von Soldaten der lokalen Garnison, keine Sicherheitsvorkehrungen, obwohl der 28. Juni für die Serben (vor allem für die Österreich hassenden Fanatiker) als Gedenktag der Niederlage gegen die Türken am Amselfeld 1389 besondere Bedeutung hatte. Strategisch in der Menge verteilt lauerten die Attentäter auf ihre Chance, versteckt von Hüteschwenkenden Herren und Damen mit Sonnenschirmen.

Schon näherten sich unter erheblicher Lärmentwicklung die sieben Automobile der "allerhöchsten" Kolonne. Voran der naive Polizeichef von Sarajevo, im dritten Fahrzeug das "hohe Paar". Mein Vater salutierte, als der sechssitzige Doppel-Phaeton Gräf & Stift mit Vier-Zylinder-Motor, 32 PS stark, aus dem Privatbesitz von Oberstleutnant Graf Harrach, passierte. 

Franz Ferdinand selbst lenkt die Bombe ab

Am Lenkrad des Wagens mit dem Wiener Kennzeichen "A-III-118" saß als Chauffeur Leopold Lojka, neben ihm der Hofkammerbüchsenspanner Gustav Schneiberg. Erzherzog Franz Ferdinand hat links im Fond Platz genommen, neben ihm rechts seine Frau (das Paar feierte an diesem Tag seinen Hochzeitstag!), auf den Klappsitzen hockten Feldzeugmeister Potiorek und Graf Harrach .

Plötzlich sah mein Vater einen schwarzen Gegenstand aus dem Spalier an der Flussseite gegen das Fahrzeug des Erzherzogs fliegen. Es war 10.26 Uhr, Nedeljko Čabrinović warf die Bombe, geistesgegenwärtig verriss Lojka den Wagen und gab Gas.

Franz Ferdinand selbst lenkte die Bombe ab, die unter dem nachfolgenden Auto explodierte, dieses zerstörte und zwei Offiziere schwer verletzte. Weit und breit keine Polizei, keine Schutzmannschaft – die war am Bahnhof vergessen worden. Seiner Schwester zufolge stand mein Vater während der ganzen Zeit starr, wie gelähmt, salutierend am Straßenrand. Erst als sich der Rauch etwas verzog, lief er zum zerstörten Wagen und half bei der Bergung.

Schlamperei und Naivität

Die Kolonne fuhr wieder an, Schneiberg deckte auf dem Trittbrett links stehend den Thronfolger. Bei der Weiterfahrt am Nachmittag vergaß aber Potiorek, den Fahrer rechtzeitig von der Streckenänderung zu informieren. Dadurch bekam Gavrilo Princip, an der Schillerecke stehend, freies Schussfeld Richtung der ungedeckten rechten Fahrzeugseite. Der "Startschuss" zum Ersten Weltkrieg war gefallen. Unglaublich: Nach dem ersten Anschlag verhinderte Schlamperei und Naivität jede weitere Sicherheitsmaßnahme.

Im Juli 1914 übergab Graf Harrach den Unglückswagen an Kaiser Franz Joseph, der ihn an das Heeresgeschichtliche Museum weiterreichte, gemeinsam mit dem blutigen Waffenrock von Franz Ferdinand, auf Wunsch seiner Kinder. Kleiner Nachsatz: Die Familie Harrach hatte später auf Restitution der Autos geklagt. (Peter Urbanek, DER STANDARD Rondomobil, 12./13.4.2014)