"Manche Frauen bekommen alle Chancen und nehmen keine davon, sagen dann: Das tu ich mir nicht an." Dann könne man aber nicht Unternehmen beschuldigen, so RHI Finanzchefin Barbara Potisk.

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STANDARD: Wie weit sind Frauen gekommen in puncto Teilhabe an der wirtschaftlichen Entscheidungsmacht?

Potisk: Mir scheint, dass wir in ein neues Biedermeier zurückfallen. Frauen erleben ein, zwei Hürden in ihrer Karriere und ziehen sich dann zurück - in die Familie, zum Yoga, machen es sich wieder einfacher.

STANDARD: Ist das nicht legitim?

Potisk: Natürlich, dann kann man aber nicht Unternehmen dafür verantwortlich machen, dass so wenig Frauen in Führungspositionen sind. Die Themen des Konkurrenzkampfes und allem, das dazugehört, haben für Frauen und Männer, die nach oben streben, gleiche Gültigkeit.

STANDARD: Sind Frauen also zu wehleidig?

Potisk: Sie haben eine andere Schmerzgrenze. Bei Männern kann diese durch Geld leichter nach oben gerückt, leichter kompensiert werden.

STANDARD: Vielleicht kommen Frauen einfach ab einer gewissen Ebene, nach einigen Karrierejahren drauf, dass sie das System so nicht befördern wollen?

Potisk: Na ja, dann muss ich mich aber generell fragen: Ist das ein Umfeld, in dem ich arbeiten möchte? Als Führungskraft kann ich die Kultur und auch die Entwicklung des Unternehmens mitgestalten und - wenn ich möchte - viel Gutes tun. Ich sage mir, dass ich in unserem Konzern, wo es immerhin um 8000 Menschen und ihre Familien geht, etwas bewirken kann.

STANDARD: Vielleicht erleben Frauen die zunehmende Einsamkeit mit zunehmender Macht auch negativer als Männer?

Potisk: Möglich. Es ist auch so, dass Informationen oft selektiert oder stark politisch eingefärbt nach oben getragen werden. Umso wichtiger ist es, ein Team um sich zu haben, dem man vertrauen kann. Trotzdem werden die Freunde auf dem Weg nach oben weniger. Aber wenn ich mich dafür entscheide, dann muss ich das in Kauf nehmen. Everybody’s Darling und der beliebteste Teamplayer ist man dann nicht mehr. Man trifft Entscheidungen und trägt die Konsequenzen, lebt mit den Konsequenzen.

STANDARD: Klingt so, als wären Frauen eben durch ihre Entscheidungen selber schuld, wenn sie es nicht nach oben schaffen ...

Potisk: Ja, zu mehr als der Hälfte sicher. Ich habe so oft erlebt, dass Frauen alle Chancen bekommen und dann sagen: Nein, ich tu mir das doch nicht an, dieses Spiel spiele ich nicht mit. Wir haben so viele tolle Hochschulabsolventinnen, wirklich gute Frauen, die mit der Zeit dann aufgeben, rausgehen, sich bescheiden, Familienpause machen oder verharren.

STANDARD: Was war für Sie überraschend in Ihrer Karriere?

Potisk: Zum Beispiel, dass trotz des hohen Frauenanteils in Führungsprogrammen Frauen nicht für leitende Positionen in Erwägung gezogen werden - vor allem auf der Technikseite.

STANDARD: Brauchen wir also nicht doch Quoten?

Potisk: Nein. Wichtig ist das Bewusstsein. Und das fängt ganz woanders an. In der Familie, bei den Rollen, dort, wo es nicht mehr selbstverständlich sein sollte, dass die Frau alleine für die Kindererziehung zuständig ist oder der Mann das höhere Einkommen nach Hause bringt. Eine gesellschaftliche Entwicklung, der wir uns stellen müssen.

STANDARD: Warum besetzen Sie keine Aufsichtsmandate?

Potisk: Ich habe keine Zeit dafür. Wenn ich etwas mache, dann ganz oder gar nicht. Ich habe eine Menge Herausforderungen in der RHI, denen gilt meine Zeit und Energie. (DER STANDARD, 12./13.4.2014)