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Der Hunger nach griechischen Anleihen als Symptom der Gier. Riskante Wertpapiere locken Investoren auf Renditejagd an.

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Wien - Vor zwei Jahren stürzte Griechenland in der Gunst der Investoren auf einen Tiefpunkt ab. 40 Prozent Zinsen hätten Anleger im März 2012 von der Regierung in Athen für einen mehrjährigen Kredit verlangt. Eine horrende Zinslast, die Griechenland freilich nie bezahlen musste, weil sich der Staat seit 2010 über Hilfskredite der übrigen Euroländer und des Währungsfonds finanziert.

Am Donnerstag hat sich das Mittelmeerland erstmals seit der Flucht unter den Schirm auf den Kapitalmarkt zurückgewagt, um eine langjährige Anleihe zu begeben. Investoren haben sich dabei um die Papiere gerissen: Athen wollte 2,5 Milliarden Euro über eine Auktion hereinholen und erhielt Angebote für fast 20 Milliarden Euro. Der Zinssatz lag bei gerade 4,75 Prozent.

Vor zwei Jahren fast pleite und nun der Investorenhit. Wie aber lässt sich das erklären? Die Verschuldung Griechenlands ist heute höher als im März 2012. Die Lage am Arbeitsmarkt ist ungünstiger, die Wirtschaftsleistung ist schwächer. Und ob sich der zarte Aufschwung nach sechs Jahren Rezession einstellt, ist fraglich. Mit der Lage im angeschlagenen Mittelmeerland hat der Run auf griechische Finanzpapiere wenig zu tun. Was ist aber an den Finanzmärkten los? "Anleger sind gierig, sie suchen wieder immer mehr Risiko", sagt dazu Valentin Hofstätter knapp.

Der Ökonom beobachtet für die Raiffeisen Bank International die Entwicklung an den Märkten. In den vergangenen Monaten hat er dabei eine klare Tendenz festgestellt: Fonds, Lebensversicherer und kleine Investoren kaufen ungeachtet des Risikos alles auf, was Rendite verspricht. Weil dank der lockeren Geldpolitik der Notenbanken viel Liquidität am Markt ist und Investoren lukrative Finanzanlagen in Scharen kaufen, sind die Renditen für weniger riskante Anleihen gesunken. "Investoren müssen daher ständig in noch höhere Risikoklassen wechseln."

Die "dunkle Seite"

Was Hofstätter sagt, lässt sich auch mit Zahlen abseits von Griechenland belegen: Die Nachfrage nach riskanten Unternehmensanleihen in Europa, die von Ratingagenturen als ausfallsgefährdet eingestuft werden, hat ein Rekordhoch erreicht. Das zeigen Daten von Dealogic, die dem Standard vorliegen. So haben Unternehmen seit Jahresbeginn 33,7 Milliarden Euro an Ramschpapieren am Markt platzieren können - das ist so viel wie nie zuvor. Im Vorjahr wurden in Europa zudem so viele "leveraged loans" begeben wie seit Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr. Als "leveraged loan" bezeichnet man riskante Kredite an bereits überschuldete Unternehmen. Dieselbe Tendenz in den USA: Laut Internationalem Währungsfonds wurden dort 2013 umgerechnet 275 Milliarden Euro in Unternehmensanleihen gesteckt, die von Ratingagenturen als spekulative Anlagen bewertet wurden. Zum Vergleich: Im Jahr 2007, also vor Ausbruch der Krise, lag der Wert mit heutigen Wechselkursen bei gerade 110 Milliarden.

Für den Banker Hofstätter ist die Entwicklung problematisch: Bei vielen riskanten Produkten seien die Zinsen inzwischen zu niedrig. Auch marode Unternehmen, die an keinen Bankkredit mehr rankommen, können sich so noch über den Anleihenmarkt Geld beschaffen. Damit steigt aber auch das Risiko von fatalen Großpleiten an. Sogar die hochkomplexen Wertpapierstrukturen, die die Finanzkrise mit ausgelöst haben, boomen wieder. Im März wurden so viele verbriefte Kreditpapiere (CLOs) wie seit Mai 2007 nicht mehr an Investoren verkauft, zeigen Daten von S&P Capital IQ. Selbst die Bank of America warnt bereits vor der "dunklen Seite" der Liquidität. "Die Blase ist noch nicht so schlimm wie 2007", glaubt Dario Perkins, Ökonom von Lombard Street Research in London. "Aber bleibt die Geldpolitik der Zentralbanken weiter so locker, könnte es noch schlimmer werden." (Lukas Sustala András Szigetvari, DER STANDARD, 11.4.2014)