Holger Stark hat als "Spiegel"-Journalist selbst mit Material des Whistleblowers Edward Snowden gearbeitet.

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Bei einem Besuch im NSA-Hauptquartier in Fort Meade merke man, wie streng hierarchisch die NSA aufgebaut sei.

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Die Parkplätze in der ersten Reihe sind beispielsweise für die Führungsspitze reserviert, die auch einen eigenen Aufzug besitzt.

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Innerhalb der NSA habe man die Empörung über die Enthüllungen nicht verstanden, so Stark. Im Bild: der neue NSA-Chef Michael Rogers.

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GCHQ und NSA würden pauschalisiert überwachen, kritisiert Stark.

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Das Hauptbüro des russischen Geheimdienstes FSB: Er soll hinter den Telefonmitschnitten stecken, die zur Krim-Krise auftauchten.

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Die Enthüllung, dass Angela Merkels Handy abgehört wurde, sei ein "Wendepunkt" in der Debatte gewesen, so Stark.

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Die alternative Suchmaschine DuckDuckGo speichert Suchanfragen nicht.

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Folien des "Guardian" zeigen, wie die NSA verschlüsselte E-Mails und Verschlüsselungssoftware attackieren wollte.

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Die Wiener OPEC soll definitiv belauscht worden sein.

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Die IAEA soll mit höchstem Aufwand von der NSA infiltriert werden, so Stark.

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Von der Wiener US-Botschaft aus soll gelauscht werden, hier befindet sich ein Special Collection Service (SCS).

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Radarkuppeln im bayrischen Bad Aibling: Die Abhörstation wurde lange von den US-Amerikanern betrieben, jetzt teilen die Deutschen mit ihnen dort gewonnene Informationen.

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Nach einem ähnlichen Prinzip soll dies bei der Königswarte funktionieren.

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Stark hatte Einblick in die Nymrod-Datenbank abgehörter Staatschefs: Angela Merkel wurde 2009 gelistet, Werner Faymann nicht.

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Berichte über die angebliche komplette Überwachung der Telekommunikation in Österreich durch die NSA haben einen Lichtkünstler in Hamburg zu einer spektakulären Aktion veranlasst. Am vergangenen Donnerstagabend projizierte der Lichtkünstler Oliver Bienkowski eine riesige rot-weiß-rote Flagge in leicht abgeänderter Form – der Bundesadler war Teil des NSA-Logos – auf eine Häuserfassade gegenüber dem US-Konsulat.

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Holger Stark und Marcel Rosenbachs "Der NSA-Komplex" ist ab sofort erhältlich, erschienen bei Random House.

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Laut dem NSA-Kenner Holger Stark hat der US-Geheimdienst die Internationale Atomenergiebehörde IAEO in Wien infiltriert. Auf einer NSA-Liste mit 122 abgehörten Politikern stehe keiner aus Österreich, so der Journalist im Gespräch mit dem STANDARD.

DER STANDARD: Wie haben Sie die Zeit Anfang Juni 2013 erlebt, als Sie erstmals von den Snowden-Leaks erfahren haben?

Stark: Wir haben beim "Spiegel" anfangs mit angehaltenem Atem beobachtet, was sukzessive veröffentlicht wurde – beispielsweise die Enthüllung des "Guardian", dass der US-Telekomkonzern Verizon Daten an die NSA übermittelt hat. Wir hatten das Gefühl, dass hier eine Affäre globalen Ausmaßes im Entstehen ist, und Hinweise erhalten, dass der Journalist Gleen Greenwald bereit wäre, das Material zu teilen. Daraufhin bin ich nach Rio geflogen, wo Greenwald lebt. Er war freundlich, wollte das Material allerdings nicht mit uns teilen, sondern gab uns Hinweise, denen wir selbst nachgehen konnten.

DER STANDARD: Wie ging es dann weiter?

Stark: Wir haben von Berlin, Brüssel und Washington aus große Anstrengungen unternommen, um zu recherchieren. Zuerst haben wir uns mit der Überwachung von EU-Botschaften in Washington und New York beschäftigt und eine ebenso produktive wie angenehme Zusammenarbeit mit Laura Poitras begonnen, um auch über Deutschland und die EU hinausgehendes Material auswerten zu können. Laura Poitras gehört zu den drei Journalisten, die in Hongkong Geheimdienstmaterial übergeben bekommen haben.

DER STANDARD: Wie wurden Sie als ausländischer Journalist in Washington behandelt?

Stark: Es war teilweise surreal: In den ersten Wochen habe ich versucht, mich an das Weiße Haus zu wenden, aber nur Absagen auf unsere Gesprächswünsche erhalten. Bis jetzt gab es kein längeres Gespräch mit dem Weißen Haus. Eine Anekdote beschreibt das gut: Ich hatte eine Telefonschaltkonferenz mit NSA-Vertretern vereinbart, eine NSA-Sprecherin stellte sich vor und gab bekannt, dass eine Reihe von Geheimdienstmitarbeitern mit in der Leitung sei.

Auf meine Nachfrage, um wen es sich dabei handle, antwortete sie, dass sie das zu diesem Zeitpunk nicht bekanntgeben dürfe. Diese Atmosphäre zog sich durch. In einem Fall hießen die Leute der NSA, die ich zu einem Hintergrundgespräch traf, Bill und Mike – natürlich ohne Nachnamen oder Visitenkarten.

DER STANDARD: Gab es Unterschiede im Vergleich zur Behandlung von Journalisten der "New York Times" oder der "Washington Post"?

Stark: Es gibt auf jeden Fall eine Ungleichbehandlung zwischen US-amerikanischen und ausländischen Medien. Kollegen der "NYT" oder der "Washington Post" hatten oft persönliche Hintergrundgespräche, etwa mit dem Weißen Haus, dem Geheimdienstkoordinator James Clapper oder NSA-Chef Keith Alexander. Ich wurde ein einziges Mal ins NSA-Hauptquartier nach Fort Meade vorgelassen. Zuerst hieß es, ich müsste mich auf neutralem Territorium, im Crypto Museum außerhalb des Geländes, mit den NSA-Vertretern treffen. Am Ende konnte das Gespräch doch in der Zentrale stattfinden.

DER STANDARD: Wie waren Ihre Impressionen vom NSA-Hauptquartier?

Stark: Das Gelände ist ähnlich gesichert wie ein Militärstützpunkt, etwa mit Sandsäcken. Man kann sich nur in Schlangenlinien dem Gelände nähern, die ersten Reihen auf dem Parkplatz sind der Führungsspitze vorbehalten – das zeigt, wie streng hierarchisch die NSA organisiert ist. Das Direktorat hat beispielsweise einen eigenen Fahrstuhl, den Mitarbeiter nicht benutzen dürfen.

Man betritt das Gebäude und durchläuft eine Kontrolle wie am Flughafen inklusive Metalldetektor. Die Stimmung ist getragen von einem gewissen Pathos: Im Erdgeschoß stößt man auf einen Gedenkstein in Form einer Pyramide, der die gefallenen NSA-Mitarbeiter auflistet: dutzende Namen von Mitarbeitern, die im Irak, in Pakistan, Afghanistan, in Nordkorea ums Leben gekommen sind. Diese Gedenktafel ist umrahmt von Fahnen und Blumen und soll die Mitarbeiter täglich erinnern, wie wichtig ihre Mission ist.

DER STANDARD: Wie waren die Gespräche in Fort Meade?

Stark: Die NSA vergleicht sich mit einem Footballteam: Es gibt Reihen, die vor allem für die Verteidigung ausgerichtet, und Akteure, die exklusiv für den Angriff ausgebildet sind. Mit Presseanfragen hat die NSA keine große Erfahrung, mittlerweile läuft der Kontakt aber sehr professionell.

DER STANDARD: Haben Sie den Eindruck, dass man in der NSA und deren Umfeld versteht, warum die Snowden-Enthüllungen so skandalös sind?

Stark: Mein Eindruck ist, dass man in Washington bis jetzt nicht wirklich verstanden hat, was die Welt so empört. Es gibt grundsätzlich zwei Diskussionen: Eine inneramerikanische, in der es um die Vorratsdaten von US-Bürgern geht – hier lenkt die US-Politik ein. Und eine globale, in der es um die Aktivitäten der NSA weltweit geht – hier herrscht Unverständnis, warum der Rest der Welt so emotional protestiert.

Wir beschreiben im Buch ein Dokument aus dem Sommer 1996, in dem der damalige NSA-Chef Kenneth Minihan sich an seine Mitarbeiter wendet: Dort vergleicht er das Internet mit der Atombombe und sagt, wer die Kontrolle über das Netz erlange, kontrolliere die Macht über die Welt. Diese Aussage ist zwanzig Jahre her, und sie zeigt, dass es nur begrenzt um Anti-Terror-Maßnahmen geht. Im Kern war und ist die NSA ein Instrument der amerikanischen Machtpolitik.

DER STANDARD: Provokant gefragt: Verliert man durch Snowdens Enthüllungen nicht aus dem Blick, dass auch der russische, chinesische oder europäische Geheimdienst solche Aktivitäten pflegen?

Stark: Es gibt einen Unterschied zwischen legitimer Geheimdienstarbeit und dem massenhaften Abfangen von Daten ordinärer Menschen. Ein Teil der NSA-Aktivitäten ist ohne Frage legitim. Aber die Aktivitäten der NSA und des GCHQ richten sich nicht nur gegen "feindliche" Nationen, sondern Verbündete, etwa Deutschland, oder NGOs wie die IAEA.

Vieles davon überschreitet diese Grenzen legitimer nachrichtendienstlicher Aktivitäten. Eines der großen Verdienste Edward Snowdens ist, das Bewusstsein dafür geschärft zu haben, wie unsicher das Internet ist. Das gilt sicher auch für andere Geheimdienste, die ebenso andere Länder und Bevölkerungen ausspionieren. Diese Aktivitäten sind nicht besser. Man würde sich sehr wünschen, dass es einen nächsten Edward Snowden gibt, der aus Moskau oder Peking kommt.

DER STANDARD: Wie beurteilen Sie das während der Krim-Krise wiederholte Auftauchen von Telefonmitschnitten, die angeblich vom russischen Geheimdienst abgefangen wurden?

Stark: Das hat dokumentiert, was für ein machtvolles und gefährliches Instrument der Bruch der Vertraulichkeit sein kann und wie politisch effizient man damit spielen kann, wenn man über diese Informationen und Mitschnitte verfügt. Das sollte zu einer grundsätzlichen Diskussion über die Grenzen geheimdienstlicher Aktivitäten und Möglichkeiten zum Selbstschutz führen.

DER STANDARD: Stichwort Telefon: Haben Sie das Gefühl, dass das Bekanntwerden des Abhörens von Angela Merkels Handy ein Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der NSA-Affäre war?

Stark: Für die deutsche Diskussion war die Enthüllung, dass Angela Merkels Handy über Jahre überwacht worden ist, aus meiner Sicht ein entscheidender Wendepunkt – wahrscheinlich nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern. Als der "Spiegel" im Sommer 2013 die ersten Teile der NSA-Affäre enthüllte, gab es eine große Unlust der deutschen Regierungskoalition, sich mit diesen Vorwürfen zu beschäftigen. Der damalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla hat sich im August 2013 vor die Kameras gestellt und gesagt, die NSA habe versichert, nicht gegen deutsche Interessen zu verstoßen – das hat er zu diesem Zeitpunkt vermutlich ernsthaft geglaubt.

Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich nannte die Enthüllungen eine "Pseudoaffäre". Erst das Bekanntwerden der Handy-Überwachung brachte eine Änderung der Perspektive. Heute kursiert im Kanzleramt das Wort vom "totalen Vertrauensverlust". Merkel ist weniger davon enttäuscht, dass sie überwacht wurde, sondern vielmehr davon, wie die Amerikaner nach den ersten Snowden-Leaks damit umgegangen sind. Das Momentum wurde verändert, es gibt in Deutschland heute kaum Stimmen, die die NSA verteidigen.

DER STANDARD: Welche Lehren soll die deutsche, europäische Politik daraus ziehen?

Stark: Erstens: Der Begriff der "Freundschaft" existiert auf dieser Ebene der Diplomatie nicht, hier ist eher von einer "Partnerschaft" zu sprechen. Zweitens: Die Deutschen haben sich intensiv bemüht, ein No-Spy-Abkommen mit den USA zu verhandeln. Dieses Abkommen verweigern die Amerikaner. Daraus gibt es Schlüsse, die man ziehen muss: Man muss den Eigenschutz erhöhen und die Amerikaner genauso kritisch betrachten wie andere Länder, die gegen Deutschland oder Österreich spionieren.

DER STANDARD: Welche Reaktion ist vonnöten?

Stark: Wir brauchen dringend eine Diskussion darüber, wie die Daten der Bevölkerung besser geschützt werden können. Das betrifft natürlich auch Konzerne wie Google oder Facebook, die großes Interesse an den Daten haben. Es braucht ein neues Verständnis von Datenschutz.

DER STANDARD: Hat sich für Sie persönlich die Art und Weise, wie Sie kommunizieren, verändert?

Stark: Ja, das kann man so sagen. Wenn ich unverschlüsselt E-Mails schreibe, tue ich das in dem Wissen, dass diese offen lesbar sind. Wenn ich auf Google eine Suchanfrage stelle, weiß ich, dass diese Anfrage potenziell von der NSA ausgewertet werden und sie so erkennen kann, welche Interessen ich habe. Wenn man keine Verschlüsselungsdienste wie Tor nutzt, ist es wichtig, auf Browser oder Suchmaschinen wie DuckDuckGo zurückzugreifen, die keinen Verlauf anlegen und keine spätere Nachverfolgung ermöglichen. E-Mails sollte man verschlüsseln, wenn es nötig wird, und die Daten auf der eigenen Festplatte schützen. Dieses Bewusstsein hat sich deutlich geschärft.

DER STANDARD: Ist es nicht so, dass die NSA verschlüsselte E-Mails oder Verschlüsselungssoftware wie SSL gezielt und prioritär zu knacken versucht?

Stark: Das ist sicher so, dessen muss man sich auch bewusst sein. Optimal wäre es daher, wenn eine große Anzahl an Menschen beginnen würde, ihre E-Mails zu verschlüsseln. Die absolute Sicherheit der Daten ist vermutlich eine Illusion. Viel Schutz bietet Tails (ein auf Linux basierendes Betriebssystem, Anm.), das sich bei jedem Start neu bootet.

DER STANDARD: Muss die Benutzerfreundlichkeit von solchen Programmen erhöht werden, soll die Politik hier fördern?

Stark: Es ist zwar schon viel besser geworden, aber dennoch muss hier noch viel passieren. Es fühlt sich leider immer noch so an, als ob ein Großteil dieser Programme nur für IT-Freaks funktioniert. Die Politik sollte die Entwicklung solcher Programme unterstützen, sich allerdings von einzelnen Projekten direkt fernhalten, da zu viel Nähe sonst einen Glaubwürdigkeitsverlust für das Programm bedeutet. Optimal sind Open-Source-Projekte, die unabhängig sind.

DER STANDARD: In Ihrem Buch ist zu lesen, dass das UNO-Hauptquartier in New York genauso wie die OPEC-Zentrale in Wien massiv überwacht wurde. Ist es vorstellbar, dass das auch für die Wiener UNO-Zentrale gilt?

Stark: Die OPEC wurde erwiesenermaßen von NSA und GCHQ überwacht. Historisch muss man sagen, dass Wien als Drehscheibe zwischen Ost und West schon lange im Fokus von Geheimdiensten steht. So unterhält etwa das Special Collection Service (SCS), das per Kabel und Antennen abhört, auch eine Dependance in Wien. Weltweit gibt es nur 80 SCS-Standorte. Es handelt sich um eine eigene Behörde, die zur Hälfte aus der NSA und zur Hälfte aus der CIA besteht. Sie teilen sich diese Behörde, das Hauptquartier ist in Laurel, Maryland, angesiedelt, separiert von der NSA.

Die Dependancen sind eigene Lauschposten, die eigenständig in den Botschaften arbeiten. Das Wiener SCS wird teils aus der Botschaft, teils aus der Zentrale in Laurel geführt. Es arbeitet gegen Ziele innerhalb Österreichs, aber auch gegen Länder wie Haiti, weil bestimmte Frequenzen von Wien aus besonders zugänglich und gut erreichbar sind.

DER STANDARD: In Ihrem Buch schreiben Sie über eine Liste von Staatsoberhäuptern, die abgehört wurden. Gibt es hier vonseiten der NSA auch Interesse an der österreichischen Staatsspitze?

Stark: Wir haben keine Informationen darüber gefunden, dass der österreichische Bundeskanzler abgehört wird. Das Material, das uns zur Verfügung steht, gibt immer eine Momentaufnahme wieder. Es gibt eine Liste aus dem Jahr 2009, wo etwa Bundeskanzlerin Merkel angeführt wird, die Nymrod-Datenbank. Hier sind 122 Staatschefs gelistet, österreichische Politiker waren damals offenbar in der Datenbank nicht gespeichert. Das würde aus meiner Perspektive auch Sinn machen, da ich nicht vermute, dass das Interesse der NSA so stark auf die österreichische Innenpolitik ausgerichtet ist, vielmehr gegen Institutionen, die von Wien aus agieren.

DER STANDARD: Wie etwa die OPEC oder die IAEA?

Stark: Wir wissen aus der Prioritätenliste der US-amerikanischen Regierung, dass die IAEA mit höchster Priorität bewertet ist. Die NSA versucht mit höchstem Aufwand, die IAEA zu infiltrieren – und vermutlich ist ihr das erfolgreich gelungen. Insofern agieren US-amerikanische Spione auf österreichischem Boden. Wir wissen aber nicht, ob sie auch gegen österreichische Politiker agieren.

DER STANDARD: Gegen die österreichische Bevölkerung?

Stark: Wahrscheinlich ist, dass der Internetdatenverkehr aus Österreich über die großen Trassen, etwa das Apollo- oder die TAT-Kabel, die über Cornwall laufen, für drei Tage vom Tempora-Programm abgesaugt wird, wie das auch mit den deutschen Daten passiert.

DER STANDARD: Gibt es eine Kooperation zwischen österreichischen Diensten und der NSA?

Stark: Österreich ist einer von rund 30 Staaten, die von der NSA als "Third Party" betrachtet werden. Mit diesen besteht eine SIGINT-Partnerschaft, also eine Zusammenarbeit im Bereich der "Signal Intelligence", der Funkaufklärung. Die NSA teilt andere Institutionen in vier Kategorien ein: In Kategorie 1 sind US-Behörden wie das FBI oder die CIA, anschließend Englisch sprechende Partner, die Five Eyes. Dann folgen "Third Parties" wie Österreich oder Deutschland, die per Definition gleichzeitig Ziel und Partner sind. Es gibt eine nachrichtendienstliche Partnerschaft zwischen Österreich und der NSA, die durch dieses Dokument besiegelt ist. Fourth Party heißt dann, dass überhaupt keine Zusammenarbeit besteht, etwa China oder Iran.

DER STANDARD: Von SIGINT wären also etwa die Königswarte und andere sogenannte "Lauschposten" betroffen?

Stark: Genau. In Deutschland haben die US-Amerikaner lange Zeit von Bad Aibling aus gelauscht, jetzt betreiben die Deutschen den Posten, teilen aber alle Informationen mit den US-Amerikanern. Ähnlich dürften die Rahmenbedingungen auch in Österreich sein.

DER STANDARD: Denken Sie, dass in kommender Zeit noch weitere Enthüllungen geschehen werden?

Stark: Das Material, das Snowden mitgenommen und zur Verfügung gestellt hat, ist so reichhaltig, dass wir noch über viele Monate Berichterstattung dazu erleben werden – und auch immer wieder Überraschungen. (fsc, derStandard.at, 14.4.2014)