Erstaunliche Entwicklung: Der "Penis" eines Neotrogla-Weibchens. Dieser geht mit dem vaginaähnlichen Fortpflanzungsorgan des Männchens eine schwer zu trennende Verbindung ein (siehe unten).

Foto: Current Biology, Yoshizawa et al.
Foto: Current Biology, Yoshizawa et al

Lavras – Ein ungewöhnliches Fortpflanzungssystem haben Forscher der Universität Lavras in einer brasilianischen Höhle entdeckt: Die Weibchen der dort lebenden Staubläuse dringen mit ihrem penisartigen Sexualorgan in eine vaginaähnliche Öffnung der Männchen ein.

Neotrogla curvata, eine der vier neuentdeckten Arten, bei der Paarung.
(Foto: Current Biology, Yoshizawa et al)
Foto: Current Biology, Yoshizawa et al

Anschließend haken sich die Weibchen mit diesem stachelbewehrten "Gynosom", das sich während des Paarungsakts zudem aufbläht, fest. Die Paarung kann bis zu 70 Stunden dauern. Und leicht voneinander zu lösen sind die Partner auch nicht, wie die Forscher um Rodrigo Ferreira feststellen mussten. Bei einem Paar, das sie zwecks näherer Untersuchung trennen wollten, riss das Männchen am Unterleib auseinander – die Fortpflanzungsorgane waren zu fest miteinander verbunden.

Nur nichts vergeuden

Insgesamt vier bislang unbekannte Spezies von Staubläusen – einer auch in Mitteleuropa mit zahlreichen Arten vertretenen Insektenordnung – wurden in der Höhle entdeckt. Da sie sich von ihrer Verwandtschaft so stark unterscheiden, wurden sie in die neugeschaffene Gattung Neotrogla gestellt. Die ungewöhnlichen Insekten wurden zur weiteren Untersuchung an Spezialisten weitergeschickt und nun unter der Federführung Kazunori Yoshizawas von der japanischen Hokkaido-Universität in "Current Biology" vorgestellt.

Der Grund für die spiegelbildlich erscheinende Fortpflanzung der Neotrogla ist unbekannt – den Foschern zufolge könnte aber Nahrungsmangel in der ressourcenarmen Höhlenwelt die Ursache sein. Außer Samen produzieren die Männchen nämlich auch eine proteinreiche "Brautgabe" – und daran gelangt frau am besten invasiv. Die extrem lange Dauer des Paarungsaktes ermöglicht es den Weibchen vielleicht, mehr als ein Nahrungs- und Samenpaket zu erwischen. (jdo, DER STANDARD, 18.4.2014)