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Der Komponist und Dirigent Richard Strauss im Jahr 1888 als Student. Geboren wurde er am 11. Juni 1864 in München. 

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Als Komponist ein Klangmagier, verstrickte sich Richard Strauss wenig glücklich in die Politik. Ein Leitfaden aus alphabetischen Stichwörtern.

Ausdruck: Die Musik des Münchners Richard Strauss (1864-1949) ist das widersprüchliche Produkt ihrer Entstehungszeit. In Strauss' Tondichtungen (Ein Heldenleben) ist der ganze schwelgerische Glanz der wilhelminischen Epoche enthalten.

Bescheidenheit: Strauss' Vater wirkte als erster Hornist des Münchner Hoforchesters an Richard-Wagner-Uraufführungen mit. Dennoch blieb er zeitlebens, sehr im Gegensatz zu seinem Spross, ein geschworener Feind des Bayreuther Starkults. Gegen Ende seines Lebens erklärte Richard Strauss sich zum Vollender der deutschen Musiktradition. Die Linie führe, von Mozart kommend, über Liszt und Wagner geradewegs zu ihm herauf.

Hosentasche: Als Dirigent war Strauss bei Pultstars wie Hans von Bülow in die Schule gegangen. (Bülow wurde auch deshalb Berühmtheit zuteil, weil er seine Gemahlin Cosima, eine geborene Liszt, an Wagner abtrat.) Strauss' nach außen hin prosaisches Wesen schlug sich in der äußersten Nüchternheit der Zeichengebung nieder. Indem er die Linke in den Hosensack gesteckt hielt, tat er mit der stabführenden Rechten nur das unumgänglich Notwendigste. Mit der Linken dürfte er die Abendgage nachgezählt haben.

Kommerz: Bereits als schlaksiger Mittdreißiger führte Strauss penibel Buch über seine horrenden Einkünfte als Dirigent und Komponist. Als begnadeter Egoist spielte er die Opernhäuser in Wien und Berlin meisterhaft gegeneinander aus, wenn es galt, den eigenen Marktwert in die Höhe zu treiben. Ein Coup gelang der österreichischen Regierung in den 1920ern, als sie Strauss einen Baugrund beim Belvedere verpachtete, auf dem er seiner Familie ein schmuckes Haus errichtete. Strauss' heiß begehrte Anwesenheit in Wien hielt die Vorläufergesellschaft der Bundestheater-Holding wiederholt in Atem.

Komponiermaschine: Adornos wenig schmeichelhafte Bezeichnung für Strauss tritt dann in ihr Recht, wenn sie die Untadeligkeit des Handwerks meint. Strauss gebot über einen geradezu unfehlbaren Sinn für Orchesterfarben. Anregen ließ er sich als Schöpfer symphonischer Literatur bevorzugt von außermusikalischen Ideen.

Manierismus: Seine Manier virtuoser Tonmalerei rief Kritiker auf den Plan, die das Fehlen echter innerer Anteilnahme bei Strauss bemängelten. Der Umgang des Komponisten mit philosophischen Themen blieb, vorsichtig gesprochen: allgemein. Also sprach Zarathustra ist nicht als feinsinniger Höhepunkt der Nietzsche-Rezeption, wohl aber als Fanal orchestraler Pracht in die Musikgeschichte eingegangen. Man denke an Stanley Kubricks 2001-Film.

Meisterschaft: Strauss' bleibender Wert als Opernkomponist verdankt sich der Inszenierung einer Vergangenheit, die es in der gezeigten Form nie gegeben hat. Hugo von Hofmannsthal belieferte den in Garmisch ansässigen Meister mit szenischen Vorschlägen, durch die mehr als nur ein Hauch von Nostalgie weht. Die seidenknisternde Welt des Rosenkavaliers ist das Produkt der Einbildungskraft. Die fortschrittlichen Komponisten der 1920er-, 1930er-Jahre schrieben Konversationsopern, die atonal waren und in denen Schnurtelefone und Fotoapparate vorkamen. Strauss machte sich - mit der einen Ausnahme von Intermezzo - Gedanken über mythologische Frauengestalten, die vor erotischen Nachstellungen durch Götter geschützt werden, indem sie sich in immergrüne Bäume verwandeln.

"Reichsmusikkammer": Richard Strauss' Sündenfall geht auf den Irrglauben zurück, mit den Nazis paktieren zu können, um damit der Sache der Musik zu dienen. Das Regime machte von dem greisen Komponisten als Repräsentanten der "deutschen Kulturnation" gerne Gebrauch. Der Kardinalfehler bestand in Strauss' undeutlichem Gefühl der Überlegenheit über Hitler und Goebbels. Als die Gestapo 1935 einen Brief an Stefan Zweig abfing, war es um Strauss' Sonderstellung im Dritten Reich geschehen. Sein Rücktritt als Präsident der Reichsmusikkammer wurde erzwungen. Ausgerechnet beim "Reichsstatthalter" von Wien, von Schirach, versuchte der irritierte Komponist in der Folge unterzuschlüpfen. In der Tat galt seine Sorge dem Wohlergehen der jüdischen Schwiegertochter und den Enkelsöhnen.

Volk: Wie manche andere erlag der Schöpfer der Salome dem Wahn, als Künstler könne man eine "unpolitische" Haltung einnehmen. Strauss blieb im Genie-Kult des 19. Jahrhunderts gefangen. In dem genannten Brief an Zweig schrieb der passionierte Skatspieler: "(...) für mich existiert das Volk erst in dem Moment, wo es Publikum wird. Ob dasselbe aus Chinesen, Oberbayern, Neuseeländern oder Berlinern besteht, ist mir ganz gleichgültig, wenn die Leute nur den vollen Kassenpreis bezahlt haben." (Ronald Pohl, DER STANDARD, 28.4.2014)