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Die geplanten Änderungen im Überblick.

Grafik: APA/DER STANDARD

Wien - "Es gibt keine Verkehrslösung, die für alle perfekt ist." Maria Vassilakou (Grüne) hat in den Jahren ihrer Tätigkeit als Verkehrsstadträtin dazugelernt. Sie ist vorsichtig geworden, zu viel Wirbel hatte es in den vergangenen Monaten beim Thema Mariahilfer Straße schon gegeben. Entsprechend zurückhaltend gab sie sich am Dienstag auch bei der Präsentation über geplante Querungen auf der Wiener Einkaufsstraße.

Diese hatten sich die Anrainer gewünscht, wie das Ergebnis der Bürgerbefragung Anfang März zeigte. 53,2 Prozent stimmten für die Verkehrsberuhigung. Davon sprachen sich 55,9 Prozent für die Öffnung von Querungen aus. "Wir haben so viele Wünsche wie möglich berücksichtigt", sagte Vassilakou, das Konzept, das nun vorliege, sei der bestmögliche Kompromiss.

Querung für Autofahrer

Und dieser sieht folgendermaßen aus: Zusätzlich zur bereits bestehenden Querung Stumpergasse/Kaiserstraße soll es ab 19. Mai eine weitere Querung für den Autoverkehr geben. Diese wird über die Schottenfeldgasse und Webgasse vom 7. in den 6. Bezirk führen. Außerdem werden zwei Querungen ausschließlich für den Lieferverkehr geöffnet. Diese befinden sich im östlichen Teil der Mariahilfer Straße. Eine davon in der Fußgängerzone (Neubaugasse in die Amerlingstraße bzw. Schadekgasse). Da hier die Fußgängerzone gequert wird, ist die Befahrung nur zu den Lieferzeiten möglich. Die andere Querung für Zulieferer wird sich im unteren Teil der Begegnungszone (Capistrangasse/Stiftgasse) befinden und ganztätig befahrbar sein.

Im Bereich der Fußgängerzone sollen grundsätzlich keine Querungen für den allgemeinen Verkehr möglich sein, sondern nur für den Lieferverkehr. Einige Änderungen beim Einbahnkonzept in den beiden Bezirken (im "Hinterland") sieht der Vorschlag der von Vassilakou beauftragten Fachleute – unter ihnen Verkehrs- und Planungsfachmann Werner Rosinak (Rosinak + Partner), Harald Frey (TU Wien), Roman Molitor (Komobile) sowie Vertreter der städtischen Verkehrsabteilung (MA 46) – ebenfalls vor. In Neubau betrifft das einen kurzen Abschnitt der Schottenfeldgasse, in Mariahilf ein Stück der Stumpergasse bzw. der Otto-Bauer- sowie der Hugo-Wolf-Gasse.

Die Bezirke Mariahilf und Neubau, denen der Plan bereits am Montag präsentiert wurde, gaben am Dienstag ihre Zustimmung zu den vorgeschlagenen Konzepten. Da Verkehrsangelegenheiten Bezirkssache sind, hatten sie theoretisch die Möglichkeit eines Vetos. 

Gesprächsbedarf

Der designierte Mariahilfer Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) sprach von einem "Kompromiss", mit dem er leben könne: "Ich werde das sicher nicht verhindern." Und das, obwohl er sich eigentlich auch die Öffnung der Querung Neubaugasse/Amerlingstraße gewünscht habe. Diese Verbindung wird nun aber nur für Lieferanten während der ausverhandelten Lieferzeiten (bis 13.00 Uhr) zur Verfügung stehen. Gesprächsbedarf sieht Rumelhart auch noch bei der geplanten Einbahnumdrehung auf einem Stück der Stumpergasse. Genau dort lägen nämlich die Polizeistation des Bezirks und das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern. Sollte es Verzögerungen bei Einsatzfahrten geben, werde man hier nicht grünes Licht geben.

Ähnlich Neubaus Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne): Der Expertenvorschlag finde "im Großen und Ganzen" seine Zustimmung, sagte er der APA. Es handle sich um einen "ganz guten Kompromiss". Allerdings gibt es auch aus seiner Sicht noch Bedarf, über einige "kleinere Dinge" zu reden.

Handel und Wirtschaft nicht begeistert

Bei der Opposition und im Handel stößt das Vorhaben auf wenig Sympathie. Vor allem die Entscheidung, nur eine weitere Querung zu öffnen, steht in der Kritik - "halbe Lösung", "inakzeptabel" und "Bürgerverhöhnung" hieß es in den entsprechenden Reaktionen.

"Inakzeptabel" ist die Lösung mit einer weiteren Querung im Bereich der oberen Mariahilfer Straße für die Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, Brigitte Jank. "Es fehlen echte Querungen für den Individualverkehr. Die Betriebe werden durch den geplanten Einbahnzirkus schikaniert, weil sie selbst und vor allem ihre Kunden kaum noch zu den Geschäftslokalen kommen", erklärte sie in einer Aussendung. Die Vorgehensweise der Stadt sei kurzsichtig und unverantwortlich und nicht im Interesse der Betriebe - vor allem die untere Mariahilfer Straße bleibe ein "unüberwindbarer Grenzwall" zwischen den Bezirken. Sie vermisse ein "Machtwort des Bürgermeisters".

Nur "eine halbe Lösung" kann Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbandes, im Gespräch mit der APA in dem neuen Querungskonzept erkennen. "Im oberen Teil hat man nun eine gute Durchblutung, aber im unteren Teil, wo sich auch viele umsatzstarke Unternehmen befinden, gibt es gar keine Querungen", kritisierte er. Er will zurück an den Verhandlungstisch und den Entwurf für den unteren Teil noch einmal diskutieren. "Wir brauchen auch auf der Mariahilfer Straße nahe Museumsquartier mindestens eine Durchfahrtsmöglichkeit", zeigte sich Mayer-Heinisch überzeugt.

Geschieht dies nicht, befürchtet er Umsatzeinbußen für die Unternehmen und eventuell eine schleichende Absiedelung. "Die Attraktivität des Standortes leidet", meinte der Chef des Handelsverbands.

Kritik auch aus der Opposition

Kritik hagelt es auch von den politischen Gegnern: Beim Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, Manfred Juraczka, stößt vor allem die Einführung nur einer weiteren Durchfahrtsmöglichkeit auf Unverständnis. In einer Aussendung bezeichnete er das Konzept als "Verhöhnung der Bürger". "Die Befragung zur Mariahilfer Straße hat ein klares Votum für Querungen (Plural!) ergeben, Häupl und Vassilakou haben für Querungen (Plural!) geworben, jetzt wird gerade einmal eine (!) zusätzliche Querung geöffnet", so Juraczka.

Die Öffnung für den Lieferverkehr ist für den Wiener VP-Chef nur eine "Scheinlösung". Er wünscht sich stattdessen die Öffnung weiterer Querungen etwa der Neubaugasse/Amerlingstraße. "Maria Vassilakou kann sich nicht hinter einem 'Expertengremium' verstecken, sie ist politisch verantwortlich. Wenn sie diese Verantwortung nicht mehr wahrnehmen will oder kann, dann sollte sie über die entsprechenden Konsequenzen nachdenken", meinte Juraczka.

Die Wiener FPÖ sorgt sich dagegen mehr um die Umsatzeinbußen der Unternehmer. "Die grüne Verkehrsstadträtin lehnt kategorisch ab, die Geschäftsleute auch nur teilweise zu entschädigen, was zu weiteren Betriebsschließungen führen wird", so Verkehrssprecher Toni Mahdalik in einer Aussendung. Er forderte einen eigenen Fonds für die Rettung der gefährdeten Betriebe in Höhe von 27 Millionen Euro.

Nachtfahren und Fußgängerverbesserungen noch offen

Vassilakou zeigte sich am Dienstag zur Frage der Querungen jedenfalls zuversichtlich: "Es gibt keine Verkehrslösung, die für alle perfekt ist. Diese kommt dem möglichst nahe, wir haben so viele Wünsche wie möglich berücksichtigt." Noch kein Ergebnis gibt es beim Thema Nachtfahrten und bei Verbesserungen für Fußgänger in der Begegnungszone. Auch hier werde daran gearbeitet, so Vassilakou, das Ergbenis soll noch im Laufe des Mai präsentiert werden. (APA/rwh, 29.4.2014)