Enge Fahrrinnen, Stiegen und Brücken wurden den schwedischen Schiffen gebaut, damit sie dänische Zölle umschiffen. Das macht den Götakanal aus heutiger Sicht so reizvoll.

Foto: Göta Kanalbolag / Bodil Hedin

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Flug zum Beispiel mit Austrian oder Lufthansa von Wien nach Stockholm und über Göteborg zurück ab 200 Euro. Eine sechstägige Pauschaltour mit einem der drei Schiffe Diana, Wilhelm Tham oder Juno mit Flug und Hotelübernachtungen in Stockholm und Göteborg kostet rund 2000 Euro pro Person und ist unter anderem buchbar bei Tui Wolters. Neben den Angeboten der Götakanal-Reederei können auch Tagesfahrten bei sechs weiteren lokalen Reedereien gebucht werden. Mit dem eigenen oder gemieteten Segelboot ist der Kanal auch gegen eine Passagegebühr von 540 bis 1340 Euro teilweise oder ganz befahrbar.

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Einen Schlüssel zur Landschaft rund um den Götakanal und die dort ansässigen Menschen bieten unter anderem auch belletristische Quellen. Bereits als Hörspiel verewigt wurden die Ost-West-Passage und deren moderne Ausflugsschiffe durch den Kriminalroman Die Tote im Götakanal von Maj Sjöwall und Per Wahlöö - als Taschenbuch bei rororo, 288 Seiten, 9,99 Euro.

Der Revierführer Schweden: West-, Süd- und Ostküste, Schären, Göta- und Trollhättekanal ist mit Infos bezüglich Häfen und Liegeplätzen hilfreich für alle, die individuell auf dem Kanal unterwegs sind; erschienen bei pietsch, 1. Auflage 2011, 256 Seiten, 29,90 Euro.

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Der Götakanal ist in der Regel vom 4. Mai bis zum 30. September schiffbar. Die drei Schiffe der Kanalgesellschaft reisen ab 23. Mai bis 7. September. Auf den Treidelwegen kann der Götakanal allerdings ebenso reizvoll per Fahrrad oder zu Fuß erkundet werden.

Weitere Auskünfte über Hotels, Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten entlang des Götakanals von der Rederiaktiebolaget Göta Kanal, Box 3, SE-59121 Motala, Tel: +46/ 141/20 20 50, info@gotakanal.se oder auf www.gotacanal.se bzw. www.stromma.se/de/Gota-Kanal

Landesweite touristische Infos hält das schwedische Fremdenverkehrsamt bereit: www.visitsweden.com

Eine Katze büselt auf dem Schiffsdeck unter der Fahne mit dem gelben Kreuz auf blauem Grund. Der Himmel dahinter ist vom selben Azur, sodass jetzt nur zwei goldgelbe Balken im blauen Nichts zu schweben scheinen. Wer um Himmels willen hat sich so eine Flagge für Schweden einfallen lassen, mit diesem Firmament!

In Söderköping gehen ein paar Passagiere an Bord, dann werden alle Gedanken über Farbkontraste vom Signalhorn der Wilhelm Tham jäh unterbrochen. Das 102 Jahre alte Schiff will seine Fahrt fortsetzen. Es ist den weiten Weg aus Stockholm gekommen, zuerst entlang der Schärenküste, danach bis nach Mem gefahren und hat sich dort in den Götakanal gefädelt.

Nur mit Schaufeln bewaffnet

Seit 1832 ermöglicht dieser Kanal die Ost-West-Passage durch Südschweden. Er verbindet die Hauptstadt Stockholm an der Ostsee mit Göteborg, der zweitgrößten Stadt, am Kattegat. Dazwischen liegen mehr als 500 Kilometer Wasserwege - 220 Kilometer entlang der Ostseeküste, 93 Kilometer im Westen und 104 Kilometer auf Seen wie dem Roxen, dem Boren und dem Vättern. Doch die verbleibenden 87 Kilometer mussten erst einmal geschaffen werden. 22 Jahre lang gruben sich 58.000 Soldaten, nur mit Schaufeln bewaffnet, durch das Erdreich von Öster- und Västergötland.

1912 wurde die MS Wilhelm Tham in Motala gebaut. Benannt ist sie nach dem ein Jahr zuvor verstorbenen Direktor der Husqvarna-Waffenfabrik, die heute unter anderem als Herstellerin von Kettensägen bekannt ist. Die Provinzstadt Motala ist bis heute Sitz der Gesellschaft, die auf dem Götakanal zwei weitere historische Schiffe pendeln lässt. Es sind die fast baugleichen Schiffe Diana aus dem Jahr 1931 und die 1874 vom Stapel gelaufene Juno, eines der ältesten im Dienst stehenden Passagierschiffe der Welt.

"Die Tham ist keine Lady, sondern ein echter Gentleman", scherzt Kapitän Häkanson beim abendlichen Dinner über sein Schiff. Seit 100 Jahren von Mitte Mai bis Anfang September schippern der feine Herr und seine beiden ihn begleitenden Schwestern als weiß getünchte Oldtimer durch die Seenlandschaft Süd- und Mittelschwedens. Bloß im Winter ruht der Verkehr, und der Kanal ist eine einzige Schlittschuhbahn.

Der Rauchfang der Tham ist zwar seit dem Einsatz von Dieselmotoren überflüssig, doch er gibt dem Schiff seine Struktur. Vorn befinden sich 30 Doppelkabinen auf drei Decks. Das untere Deck hat Kabinen mit Bullaugen, und in den beiden oberen Etagen befinden sich die teureren Schlafkojen auf der Höhe der kleinen Kommandobrücke und des überdachten Außendecks. Die mittlere Kabinenetage liegt auf dem Niveau des Speisesaals und des Aufenthaltsraumes im Bug der Tham.

Die Kabinen sind eng, die Duschen befinden sich auf dem Gang. Aber nur sehr großgewachsene Menschen haben beim Schlafen wirklich Probleme mit der Beinfreiheit. Die Betten sind immerhin 1,90 Meter lang. Es ist ein seltenes Glück, dass die Tham bei der Renovierung im Jahre 2003 nicht völlig umgebaut, sondern in ihrer historischen Gestalt erhalten wurde.

Gleich hinter Söderköping ist dann zu erkennen, was das Mammutprojekt eines Kanalbaus in dieser Landschaft bedeutete. Die Schiffe müssen bergauf fahren. Bis zum vier Kilometer entfernten Carlsborg gilt es acht Schleusen zu passieren. Es sind enge Wasserbecken, die Kapitän Albert Häkanson viel Fingerspitzengefühl abverlangen. Mit vertauten Birkenholzfendern an den Schiffsflanken tastet sich die Tham in die knapp sieben Meter breite Schleuse. Wenig mehr als ein Fingerbreit liegt zwischen Schiffsstahl und Schleusenwand. Von außen betrachtet, scheint die Tham auf dem Trockenen zu liegen.

Viele Stufen im Wasser

So geht das 58-mal auf dieser Strecke. Hinein in den Kanal, aufwässern und dann wieder raus. Insgesamt 92 Höhenmeter werden bis zum Vikensee bei Forsvik bewältigt. Die Schiffe müssen regelrecht Stiegen steigen. Bei Borenshult sind es sogar fünf Schleusen als Stufenstaffel hintereinander.

Auch die rund 50 Brücken für Schiffe machen das Befahren des Kanals nicht einfacher. Oft ist der Wasserweg in eine sehr enge und seichte Wanne gezwängt, um per Überführung die darunterliegende Autostraße zu queren. Und weil es auf dem Kanal mitunter sehr knapp wird, sind die Passagierschiffe entsprechend gebaut. Der maximale Tiefgang liegt bei nur 2,80 Metern und die Länge bei 30 Metern. Zu schnell gehen darf es auch nicht, weil der dadurch entstehende Wellengang den Kanal überschwappen ließe.

Mit maximal fünf Knoten, etwas mehr als neun Kilometern pro Stunde, ist die Tham unterwegs. So können die Passagiere ruhig einmal ein wenig "neben der Spur sein", sprich auf dem Treidelgang am Kanal spazieren und das Schiff bei voller Fahrt von außen betrachten. Es ist die Langsamkeit, die auf dieser Ost-West-Passage entdeckt wird. Die Landschaften fliegen hier keineswegs an einem vorbei. Eher noch kommt dieses Stück Schweden zu den Passagieren, die stundenlang auf das hügelige Land mit seinen Kornfeldern, Wäldern und Seen blicken.

Erst bei der Fahrt über den Vättern-See zwischen Motala und Karlsborg kann man ein Gefühl von "rauer See" erahnen. Zum ersten Mal sind Steuer- und Backbord nicht mehr vom nahen Kanalufer begrenzt. Dann öffnet sich der Blick bis zum Horizont, wo Himmel, Wolken und Wasser in den Weiten des Sees verschwimmen. Nur eine milde Brise tätschelt jetzt die Tham, und doch ist das genau jener Moment, in dem die Passagiere besser nicht essen gehen sollten: Schon ein sehr zahmes Lüfterl kann das Schiff mit seinem geringen Tiefgang wie eine schwimmende Schuhschachtel gehörig ins Schaukeln bringen.

Immer wieder erinnert der Wasserweg eher an eine Allee als an einen kahlen Kanal. Manche der knorrigen Kastanien, Buchen und Eichen am Ufer scheinen in die Jahre gekommen zu sein, einige davon müssen wohl bald erneuert werden. Die Kanalverwaltung bietet deshalb schon Baumpatenschaften um 230 Euro an. Mit einer kleinen Namenstafel kann sich hier jeder zahlungskräftige Gast ein Denkmal setzen.

Dem Grafen Baltzar von Platen wurde von anderen ein Denkmal gesetzt, in Motala. An diesem Ort ruht der Initiator des Kanals seit 1829, drei Jahre vor dessen Eröffnung, in einem Grab mit Blick auf sein Lebenswerk. Platens Endpunkt markiert aber auch einen Anfang. In Motala begann mit dem Kanalbau die schwedische Industrialsierung. Die für den Bau benötigten Maschinen und neuen technischen Hilfsmittel kamen so wenigstens ganz aus der Nähe.

Baltzar von Platen war ein aus dem damals zu Schweden gehörenden Pommern stammender Landadeliger. Auf der Insel Rügen 1766 als Gouverneurssohn geboren, brachte er es in seiner Karriere zum Reichstatthalter des damals ebenfalls zu Schweden gehörenden Norwegen. Er liebte Kanäle und Wasserwege, war geradezu auf sie versessen, sah darin Hobby und Berufung zugleich. Und er hatte die nötige politische Protektion für die Verwirklichung dieses Projekts, das heutige schwedische Landschaftsplaner und Architekten noch immer anerkennend als das "schwedische Bauwerk des Jahrtausends" bezeichnen.

Dänische Zölle umgehen

Der Bau des Götakanals war mit enormen Kosten und langer Bauzeit verbunden, ein eigentlich irrwitziges Vorhaben, das nur mit der Rückendeckung durch einflussreiche Kreise bis hin zum Königshaus umgesetzt werden konnte. Die Realisierung sollte aber keineswegs persönlichen Ehrgeiz oder herrschaftliche Verwirklichungssucht befriedigen, sondern wirtschaftlich rentabel sein. Durch diesen Kanal wollte man den sogenannten Sundzoll umgehen, den die Dänen für die Befahrung des Öresunds - also die Umseglung Südschwedens - einhoben. Diese Maut wurde seit 1429 erhoben und allein in den hundert Jahren zwischen 1557 und 1657 haben die Dänen derart 400.000 schwedische Schiffe abkassiert. 1810, als die ersten Spaten für den Kanal in die Erde gestoßen wurden, waren es durch die Napoleonischen Kriege nur noch 400 steuerpflichtige Schiffe. Die Projektbefürworter ließen sich dennoch nicht mehr abhalten und ließen weiterbauen.

Der Schiffsverkehr und damit auch die Zollausgaben nahmen kurzfristig sogar wieder zu, nach 22 Jahren Bauzeit wurde der Kanal endlich eröffnet. Nur 25 Jahre haben die Schweden aber davon profitiert. Denn bereits 1857 wurde der Öresund-Zoll endgültig abgeschafft, und die aufkommenden Eisenbahnverbindungen machten den Kanal überflüssig. Rasch wurde er zu einem Luxus, der sich nicht rechnet. Die Reisenden von heute können das freilich recht entspannt sehen. Luxus zeichnet sich nun einmal dadurch aus, dass er sich nicht immer rechnet. (Nicolas van Ryk, DER STANDARD, Album, 26.4.2014)