Ungewöhnliche Parfums, klassisches Design: Die neue deutsche Duftschmiede Schwarzlose.

Foto: Schwarzlose

Die Parfumindustrie ist ein hartes Pflaster in all seiner Flüchtigkeit. Wer Erfolg haben will, muss hart arbeiten. Meist sind Marketingexperten am Werk, die die Vorlieben der Masse treffen wollen. Hin und wieder kommen aber Parfums auf den Markt, die eigentümlich sind und folglich auch nicht in den großen Drogerieketten zu finden sind. Ihre Hersteller wählen auch ungewöhnliche Vertriebswege - zum Beispiel über Mode-Boutiquen und Concept Stores. Wie erfolgreich das sein kann, beweisen Parfums von Comme des Garcons oder Escentric Molecules. Wer sie will, muss sie jagen.

Tiberius in der Wiener Lindengasse ist einer jener Concept-Stores, die immer wieder auch Parfums führen. Ursprünglich Fetisch-Store, stellt Besitzer Marcos Valenzuela regelmäßig Mode-Kollektionen vor. Seine bevorzugten Materialien sind Lack und Leder geblieben - durchaus auch ganz manierlich. Damit die Mode nicht so alleine hängt, holt Valenzuela  allerlei Accessoires ins Geschäft – brandneu Parfum aus Berlin mit dem schönen Namen "Schwarzlose“.

"Schwarzlose hat eine interessante Geschichte, es sind Parfums abseits vom Massenmarkt , das hat mir gefallen", sagt Valenzuela, der das Schöpfertrio des Parfums zur Präsentation nach Wien eingeladen hat.

Unter den Linden

In die Lindengasse. Da muss Parfumeurin  Véronique Nyberg auch tatsächlich lachen, denn eines der Schwarzlose-Parfums riecht tatsächlich nach Lindenblüten,  "Unter den Linden" sei ja typisch Berlin und der Duftakkord habe für "1A-33“ Pate von Schwarzlose Pate gestanden. Die Abkürzung steht für Berlins Autokennzeichen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Duft stammt aus dieser Zeit.

Véronique Nyberg ist Teil eines dreiköpfigen Teams, das sich die Renaissance einer alten Berliner Parfummarke zum Ziel gesetzt hat. Zusammen mit Flakon-Designer Lutz Herrmann und Strategen Tamas Tagscherer "will man eine mit dem zweiten Weltkrieg verloren gegangene Tradition wieder aufleben lassen", sagt Herrmann, damals habe Deutschland seinen Anschluss an Luxus verloren.

Vollprofis am Werk

Als Flakondesigner zeichnet Herrmann für das Design vieler Parfumflaschen verantwortlich, hat unter anderem für Laura Biagiotti und David Beckham gearbeitet und auf diesem Wege auch Véronique kennengelernt. Sie arbeitet bei bei International Flavors und Fragrances Inc. (IFF), einer der größten Duftfabriken der Welt. Invictus von Paco Rabanne ist einer ihrer erfolgreichen Kreationen. "Doch wir hatten beide Lust, einmal wirklich etwas Eigenes zu machen", sagt Herrmann.

Zusammen mit Tamas Tagscherer habe man recherchiert und die alte Parfumerie Schwarzlose am Berliner Gendarmenmarkt in Archiven gefunden. Die gibt es seit 1976 nicht mehr. Nach 120 Jahren bewegter Geschichte beendete Schwarzlose sein Dasein. Gegründet 1856 war das Familienunternehmen einst der Parfumlieferant des Deutschen Kaiserhauses. Die Hohenzollern liebten die Düfte, machten sie in ganz Europa bekannt.  Ein Teil der Familie Schwarzlose musste 1938 vor den Nazis flüchten, die nicht-jüdischen Mitglieder, die den Namen Köthner trugen, manövrierten das Unternehmen durch den Krieg, bauten danach wieder auf.

Duftspuren über die Zeit

Schwarzlose machte Parfum-Klassiker. "Treffpunkt acht Uhr", "1A-33" oder "Rosa Centifolia" zum Beispiel. "Wir haben sie modernisiert", sagt Nyberg. Im 19. Jahrhundert dominierten monothematische Düfte, die Blüten imitieren, erklärt sie, Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die synthetischen Komponenten, die künstlichen Düfte, modern. "Wir haben noch alte Flaschen gefunden und uns daran orientiert", erzählt Herrmann, doch viele Inhaltsstoffe von damals seien ja heute nicht mehr erlaubt und die Flakons habe man ebenfalls ganz neu gemacht.

Wie Nyberg ihre Duftkreationen beschreibt? Sie verwendet viele verschiedene Inhaltsstoffe und hochprozentige Parfumöle, weil das facettenreich macht. "Treffpunkt halb acht "zum Beispiel sei ein Auszug aus Vetiver, der mit Mango und Gewürzen eine ledrige Note entwickelt, "Trance" wiederum eine ungewöhnliche Kombination aus  Rose mit Absinth und "Zeitgeist" eine totale Neuschöpfung, die extreme Gegensätze verbindet. "Parfum soll im besten Fall abhängig machen“, lacht die Parfumeurin. Der Stoff aus Berlin wird bei Tiberius gedealt. (Karin Pollack, derStandard.at, 30.4.2014)