Bild nicht mehr verfügbar.

Mit Grüßen an den Koalitionspartner vom Rathausplatz: Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl und sein Parteichef, Kanzler Werner Faymann.

Foto: APA/Hans Punz

Die rote Prominenz - Blecha, Ludwig, Häupl, Faymann - feierte den Tag der Arbeit mit Parolen gegen die Konservativen in der Europäischen Union vor dem Wiener Rathaus.

Foto: Standard/Newald

Bild nicht mehr verfügbar.

Gewinkt wird nicht immer: Kanzler Werner Faymann und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (beide SPÖ) vor dem Rathaus.

Foto: APA/Hans Punz

Wien - Scheinbar unermüdlich wacheln Werner Faymann, Michael Häupl & Co mit ihren roten Tüchern, während eine rote Sektion nach der anderen jubelnd und mit lautem Tschingderassabum vorbeidefiliert. Nur ein paar Grüppchen unter den Marschierenden stören an diesem 1. Mai das sozialdemokratische Idyll - und sobald sich die der Tribüne nähern, lassen der Kanzler und Wiens Bürgermeister - wie zufällig - rasch ihr rotes Utensil zum Winken sinken. Bei einem Dutzend Aktivisten etwa, das sich zur "Sektion der 600.000 Arbeitslosen" ausruft. Oder einem kleinen Trupp vor der Fraktion der Gewerkschafter, der Tafeln mit "Nein zum Zwölfstundentag!" in die Höhe reckt.

Von All-in-Verträgen bis hin zu Zwölfstundenarbeitstagen müssen unselbstständig Beschäftigte seit Ausbruch der großen Krise vor fast sechs Jahren immer mehr Härten hinnehmen, dazu stöhnen sie branchenübergreifend über Stellenabbau und die kalte Progression, die ihnen die bescheidenen Lohnerhöhungen wegfrisst. Doch auf dem Wiener Rathausplatz ist an dem strahlenden Tag der Arbeit davon wenig zu spüren. Vorerst. Ungebrochen ist der Zulauf an Besuchern, die dem alljährlichen Radau beiwohnen wollen. Jung und Alt schwenkt begeistert rote Fahnen und lässt rote Luftballons steigen bei den Auftritten der Bolschewistischen Kurkapelle, der Musikarbeiterkapelle und der Roten Biker. Dazu lassen sich die Abertausenden über Lautsprecher bereitwillig mit den Errungenschaften der Genossen beschallen - vom beitragsfreien Kindergarten bis zum sozialen Wohnbau in Wien.

Angesichts der tristen Aussichten am Arbeitsmarkt und der anstehenden EU-Wahl machen die prominenten Festredner der SPÖ heuer aber allesamt einen Schuldigen aus - und zwar "die konservative Mehrheit" in der Union, für die "der Markt alles ist und die Menschen nichts zählen". Und so schimpft Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner auf die "christlich-fundamentalistische Allianz", die mit ihrer "Spar-! Spar-! Sparpolitik!" verantwortlich für die ganze Situation ist. Als obersten Vertreter dafür hierzulande schießt sich ÖGB-Präsident Erich Foglar auf Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) ein, der den Arbeitnehmern "mit den härtesten Bedingungen" nun auch noch die steuerlichen Begünstigungen für ihre Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen streichen will. "Das ist nicht die Steuerreform, die wir uns vorstellen!" Der Menge gefällt das - auch, dass der Gewerkschafter erklärt: "Wir haben es satt, den Großteil der Lohnerhöhungen für den Finanzminister zu verhandeln!"

Aufsässige Jusos

Die Parteispitzen dagegen beschwören das Friedensprojekt Europa - das "nur eine Chance hat, wenn es auch soziale Gerechtigkeit gibt". Bürgermeister Michael Häupl erinnert daran, wie Wien nach dem Krieg ausgesehen hat: "Eine Stadt in Trümmern und im Elend." Damit das heutige "Gesamtkunstwerk" so bleibt, bittet er "den Herrn Finanzminister: Geben Sie Ihren Widerstand gegen die Millionärssteuer, gegen die Bekämpfung des Steuerbetruges und gegen die Finanztransaktionssteuer auf!" Ähnlich SPÖ-Chef Faymann, der wegen der hohen Jugendarbeitslosigkeit mahnt: "Es wird uns nicht gelingen, diese vielen jungen Menschen von einem gemeinsamen Europa zu überzeugen, wenn wir nicht in Beschäftigung und in den Kampf gegen Arbeitslosigkeit investieren!" Er appelliert an das Publikum, die "antifaschistische Seele" der Sozialdemokraten nicht nur an Gedenktagen, sondern auch am Wahltag hochzuhalten.

In Aussendungen fordern die Jungsozialisten am Donnerstag allerdings ihre Mutterpartei auf, sich auf ihre Grundwerte zu besinnen, Juso-Chef Wolfgang Moitzi fordert gar "das Verlassen der großen Koalition".

Und Spindelegger? Der Finanzminister begeht "einen Europatag" in der Parteiakademie. Dort zerbricht sich die ÖVP die Köpfe über Konzepte gegen die Jugendarbeitslosigkeit, denn: "Wir marschieren nicht, wir arbeiten." (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 2.5.2014)