Salzburg – Matthias Vogt, ORF-Rundfunkjournalist im Ruhestand, fasst es so zusammen: "Ich habe an einem warmen Samstagvormittag die Bettler in der Innenstadt gezählt, es waren zehn. Mag sein, dass ich nur jeden dritten gesehen habe, mag sein, dass es dreißig sind. Fürchtet sich eine ganze Stadt vor dreißig bettelarmen, verlumpten Menschen?" Wer die Debatte in den vergangenen Wochen und Monaten in Salzburg verfolgt hat, muss Vogts in der Gratiszeitung "Salzburger Fenster" gestellte Frage mit Ja beantworten. Scheinbar reichen 30 Armutsreisende – die Exekutive spricht von fallweise bis zu einhundert Bettlern –, um Salzburg aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Tatsächlich sind die zum größten Teil aus Rumänien und Bulgarien stammenden Bettler seit dem VfGH-Erkenntnis, mit dem das Bettelverbot aufgehoben worden ist, fixer Bestandteil des Salzburger Stadtbildes geworden. Zerlumpte Menschen kauern in Durchgängen und an Straßenecken, einen Pappbecher vor sich und ein stilles "Bitte, bitte – danke" murmelnd. Viele von ihnen sind offensichtlich krank. Die Salzburger reagieren irritiert. "Der unmittelbare Anblick des Elends ist in unsere österreichischen Städte zurückgekehrt. Und das irritiert, belastet, verstört und verunsichert uns", beschreibt der Geschäftsführer der Salzburger Diakonie Michael König in einem Standard-Beitrag die Reaktion der Menschen.

Eskalation und Politik

Die Medien – hier vor allem die lokale "Kronen Zeitung" – schreiben fast täglich von organisierten Bettelbanden und der Gefahr, dass Krankheiten eingeschleppt würden. Und die Politik apportiert: Vor allem die ÖVP hat im Wahlkampf für die Gemeinderatswahlen am 9. März massiv gegen die "Bettelmafia" mobilgemacht. Die SPÖ versuchte das Problem so gut wie möglich durchzutauchen, Stadt-Grüne und Neos appellierten für einen menschlichen Umgang. Kirchliche Organisationen wiederum versuchten und versuchen mit (zu kleinen) Notschlafstellen und einer Basisversorgung wenigstens die ärgste Not zu lindern. Trotzdem war vor den Kommunalwahlen an eine Lösung nicht zu denken.

In die Frage, wie man mit Armutsreisenden umgehen soll, kommt erst seit wenigen Wochen etwas Bewegung. Dass die Wahlen vorbei sind, mag mit dazu beigetragen haben. Langsam haben Stadt- und Landespolitiker aber erkannt, dass irgendwie Handeln angesagt ist. Die aufgeheizte Stimmung hat zur Eskalation geführt: In den Außenbezirken Salzburgs sind notdürftige Bettlerlager angezündet worden, die Polizei ermittelt hier auch in Richtung rechtsradikaler Täter. Eine Bettlergruppe musste aus Sicherheitsgründen ihr Lager unter der Staatsbrücke räumen und wurde vorerst notdürftig in Containern auf einem Parkplatz untergebracht. Die von der Caritas betriebene Notschlafstelle "Arche Süd" war Ziel rechtsradikaler Attacken.

Runder Tisch und Lizenzen

Sogar der Landtag hat sich mit dem Thema schon beschäftigt. Auf Antrag der ÖVP soll die Bundesregierung in der EU Druck machen, um die Armut in den Herkunftsländern zu bekämpfen. So weit, so wirkungslos.

Echte Lösungsansätze, wie ein halbwegs menschenwürdiger Umgang mit den Bettlern bei gleichzeitiger Rücksicht auf die Ängste der Salzburger möglich sein kann, soll die dreitägige Tagung "Betteln. Eine Herausforderung." Anfang kommender Woche im Bildungshaus St. Virgil bringen. Die vom Boulevard abfällig "Bettler-Kongress" titulierte Tagung wird von rund 20 Organisationen getragen; die Palette reicht vom Friedensbüro über das Land Salzburg, den ÖGB bis zu NGOs wie etwa der Armutskonferenz.

Im Anschluss an die Tagung will die neue Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ) als für Sozialpolitik ressortzuständiges Stadtregierungsmitglied zu einem runden Tisch laden, bei dem Politik, Exekutive, Sozialorganisationen und Experten eine Strategie beschließen sollen. Zur Debatte steht eine Art Bettlerlizenz. So soll die Anzahl der Armutsreisenden in Salzburg begrenzt werden, sozusagen im Gegenzug soll diesen aber eine Grundversorgung samt medizinischer Betreuung angeboten werden. Offen sind dabei aber nach Meinung von Magistratsexperten vor allem zwei Fragenkomplexe: Rechtlich würde das eine Einschränkung bedeuten, und das könnte im Gegensatz zum VfGH-Erkenntnis stehen, nach dem stilles Betteln als Form der Meinungsäußerung grundsätzlich erlaubt sei. Auch organisatorisch ist die Sache schwierig. Die Bettler würden ja meist nur für wenige Tage oder Wochen nach Salzburg kommen, dann wieder nach Hause reisen; deren Plätze würden dann wieder andere einnehmen. Eine Kontrolle sei da schwierig. (Thomas Neuhold, derStandard.at, 05.05.2014)