Brüssel/Paris - Die EU-Kommission rechnet in ihrer Frühjahrsprognose mit wirtschaftlichem Tauwetter für Europa, doch Frankreich dürfte seine für 2015 gesteckten Sparziele deutlich verfehlen. In diesem Jahr dürfte sich das Defizit auf 3,9 Prozent summieren, im kommenden Jahr auf 3,4 Prozent, befürchtet die EU-Kommission in ihrer am Montag veröffentlichten Prognose.

Damit zeichnet sich ein weiteres Hin und Her zwischen Paris und Brüssel ab. Die EU-Kommission hatte Frankreich bereits zwei Jahre mehr Zeit eingeräumt, um die Defizitziele zu erfüllen. Paris bleibt offiziell bei seinem Vorhaben, die Defizithürde schon im kommenden Jahr zu schaffen. "Die EU-Kommission berücksichtigt nicht all unsere Pläne", sagte ein ranghoher Mitarbeiter von Finanzminister Michel Sapin der Nachrichtenagentur Reuters. "Unsere Sparmaßnahmen werden es uns erlauben, das Defizit 2015 auf drei Prozent zu drücken." Die Regierung will zwar bis 2017 rund 50 Milliarden Euro einsparen, doch stößt sie damit auf Widerstand bei den Gewerkschaften.

Das Land hat beim Erreichen der Maastricht-Kriterien gerade auch deshalb Probleme, weil das Wachstum relativ niedrig bleibt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wächst weiter deutlich langsamer als etwa Deutschland und bleibt auch hinter dem Schnitt der Euroländer zurück. 2014 steht ein Plus von nur einem Prozent, 2015 von 1,5 Prozent zu Buche. Die Regierung in Paris rechnet hingegen mit etwas mehr Wachstum (1,7 Prozent). Präsident François Hollande hat in der Hoffnung auf eine anziehende Konjunktur bereits Steuersenkungen in Aussicht gestellt.

Bleibt das Wachstum wie von der Kommission erwartet auch 2015 schwach, dann tritt Paris in Sachen Schuldenabbau weiter auf der Stelle. Im kommenden Jahr soll die Staatsverschuldung bereits bei 96,6 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, und damit über dem Schnitt des Euroraums. Während die Länder der Gemeinschaftswährung insgesamt bereits 2015 mit dem Schuldenabbau beginnen und die Schuldenquote fällt, bewegt sich Frankreich in die entgegengesetzte Richtung.

Anders als in anderen Eurostaaten lahmt der Außenhandel in Frankreich. Jüngste Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit seien nicht genug, um diesen Trend umzukehren, glaubt man bei der Kommission. In Frankreich ist der Schuldige für diese Misere rasch gefunden: der starke Euro. Am Wochenende forderte Ministerpräsident Manuel Valls eine Abwertung, die Geldpolitik solle "ein Instrument für Wachstum und Arbeitsplätze" sein. Damit würde Frankreichs Industrie unterstützt. Deutschland lehnt diesen Vorstoß ab. "Der Eurokurs ist keine Angelegenheit nationaler Politiken", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Ein Sprecher der Deutschen Bundesbank sagte der Bild, dass Frankreich "in die Mentalität der 70er-Jahre" zurückfalle. (sulu, DER STANDARD, 6.5.2014)