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Es ist schon ein relativer Wahnsinn, wenn man sich den Auftritt dieser Band bei David Letterman auf Youtube anschaut. Ein etwas gedrungen wirkender Sohn der amerikanischen Arbeiterklasse mit ziemlichen Haar- und zarten Gewichtsproblemen blickt manisch in den Saal und tanzt den Tanz seines Lebens. Das Lied nennt sich Seasons (Waiting On You). Es stammt vom neuen Album Singles.

Die Band nennt sich, reichlich bescheuert, Future Islands - und ihr Sänger Samuel Herring aus dem Hinterland North Carolinas, der mittlerweile mit seiner unauffällig im Hintergrund als Hilfsarbeiterstatuen herumstehenden Partie in Baltimore, Maryland, lebt, macht den hyperaktiven Muckibuden-Gummitwist.

Der Tanzstil ist eindeutig angelehnt an die vor Kraft platzenden Moves eines Bruce Springsteen aus der Dancing In The Dark-Ära. Schon damals versuchte der Boss, was heute von Schüler Samuel Herring zur Perfektion gebracht wird. Während er mit den muskulösen Armen das Gleichgewicht zu halten und sich auch noch den Liedtext zu merken versucht, geht er, von einem Fuß auf den anderen wechselnd, in die Knie wie einst im Mai als die Deutsch-Amerikanische Freundschaft den Mussolini tanzte.

Das ist herrlich anzusehen

Das ist nichts weniger als herrlich anzusehen, wenn auch bei den Future Islands weniger die schweißtreibenden homosexuellen Konnotationen der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft in den Vordergrund gerückt werden, sondern - andere Assoziation - eher ein plumper Will-Ferrell-Verehrer in der Disco am Wochenende die Damenwelt mit Agilität und cooler Sensibilität und Musikalität zu beeindrucken versucht. Will Ferrells grandiosen Disco-Film A Night At The Roxbury von 1998, der es bei uns nie wirklich in die Kinos schaffte, sollte man sich bitte unbedingt auf DVD oder aus dem Netz besorgen. Nie wieder - schon gar nicht davor und danach - wurde so konsequent würdelos zu Haddaways Eurodance-Klassiker What Is Love? getanzt.

Samuel Herring hat mit den Future Islands dabei sicher auch die einstige zartschnöselige New-Wave-Band Ultravox im Auge. Gerade Dancing With Tears In My Eyes drängt sich mit seiner wehmütig-getragenen zum nachdenklichen Tanzen einladenden Melodie als weiterer Vergleich auf. Doch Herring ist kein Mann, der körperlich über seinen Schatten springen will. Der Gesang ist alles andere als vom Winde des Haarföhns verweht. Hier steht ein Mann auf der Bühne, der auf strenger Marlboro- und Hopfenkaltschalendiät jederzeit auch in einer Bluesrock-Partie am Wochenende draußen in den Wäldern in einer Truckerkneipe für Furore sorgen könnte. Ein Shouter alten Stils, der, vom Weg des Zwölftakters abgekommen, irgendwann die alten Wave- und Popplatten seines immer schon etwas merkwürdigen, bald in die Stadt zum Studieren gegangenen Onkels geerbt hat. Nun versucht er, einer Horde dicker, bärtiger Betrunkener das Lied Take On Me der Norweger a-ha schmackhaft zu machen.

Die Musik der Future Islands bleibt nach dem Höhepunkt des Albums Singles in Form von Seasons (Waiting On You) auf hohem Niveau. Herring ist in diesem großen stilistischen Missverständnis tatsächlich ein Wanderer zwischen den Welten. Während die Referenzhölle noch den großen ehemaligen Punkrockgott Gary Floyd und dessen aufgeraute, kehlige und schneidende Stimme ausspuckt, mit der er später den Weg zum Bluesrock von Sister Double Happiness und dann in die Vergessenheit fand, spielt ein kerniger Bass kräftige, markante Läufe. Die Melodien sind einfach und eingängig, obwohl sie etwas haltbarer hätten gestaltet werden können. Keyboards wehen Strohballen durch das Stroboskoplicht, ein Drumcomputer tuckert melancholisch vor sich hin. Da ist nichts Neues zu finden auf den Future Islands, aber ganz schön viel tolle alte Sachen. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 9.5.2014)