Durch die Brücke über den Öresund wurden Städtetouristen im Süden Skandinaviens zu Pendlern zwischen zwei Ländern.

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Anreise von Wien nach Kopenhagen zum Beispiel mit Austrian, Flugdauer 1 Stunde 50 Minuten. Weiter vom Flughafen Kastrup mit dem Zug über die 18 Kilometer lange Öresund-Brücke, die Dänemark mit Südschweden verbindet, ins 40 Kilometer entfernte Malmö. Fahrtdauer etwas mehr als eine halbe Stunde. Lund liegt etwa 20 Kilometer nordöstlich von Malmö und ist mit dem Pendlerzug in 40 Minuten zu erreichen. Alternativ gibt es eine nur für den Fahrradverkehr reservierte Schnellstraße. Das Öresund-Rundticket ermöglicht Fahrten mit Öffis rund um den Sund, per Zug oder Fähre, zum Beispiel innerhalb von zwei Tagen um rund 28 Euro.

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Das Grand Hotel www.grandilund.se Lunds erstes Haus am Platz, beherbergt Touristen und Geschäftsleute. Erbaut wurde es 1899 im Château-Stil mit ausladenden Treppen, Säulen, Balkonen und Türmen. Jedes Zimmer ist individuell eingerichtet. Unterkünfte und Infos zu Malmö: www.malmotown.com Gute Alternative in Ystad: Das Ystad Saltsjöbad Hotel www.ysb.se, einige Kilometer außerhalb der Stadt und direkt am Meer gelegen, ist ausgesprochen schick und verfügt über ein Spa. All das in einem Stil, den man blind als typisch skandinavisch charakterisieren würde, hätten ihn die Betreiber nicht von sich aus als New England Style charakterisiert.

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Das Lunder Freilicht­museum Kulturen www.kulturen.com wurde 1892 vom Volkskundler Georg Karlin zur Bewahrung von Lebenswelten gegründet, die so kaum mehr in Südschweden zu sehen sind. Zu bewundern gibt es Beispiele von originalgetreu erhaltenen Bauten samt Einrichtung – vom Mittelalter bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Schloss Trolle www.trollenasslott.se etwas nördlich von Lund ist seit 1682 im Besitz der Adelsfamilie desselben Namens. Es ist eines von 25 öffentlich zugänglichen Schlössern in Schonen, bei Voranmeldung erklärt sich Baronin Unni Trolle zu einer Schlossführung bereit.

Der Mai, Wonnemonat wohl aller Städtereisenden, birgt ein offenes Geheimnis: Im Durchschnitt zahlen Touristen laut auskunftsfreudigen Onlineportalen wie Trivago gleich einmal um satte dreizehn Prozent mehr als noch im April für ein beliebiges Hotelzimmer in Europa. Belanglose Bardenbewerbe sind da noch gar nicht eingerechnet: Um ganze 43 Prozent höher als an anderen Wochenenden liegen die Zimmerpreise an diesem 10. Mai in Kopenhagen - man spricht hier vom wenigstens nur einmalig zu verbuchenden, sogenannten Eurovisionseffekt.

Die Frage ist also: Gibt es auch so etwas wie eine Songcontest-Exit-Strategie für Reisende, die an dieser Veranstaltung sowieso kein Interesse zeigen? Die gibt es - und sie orientiert sich an diesem Tag - wie auch an allen 364 anderen - an einem regionaltypischen Verhaltensmuster vieler Öresunder. Zehntausende Berufstätige pendeln täglich zwischen Kopenhagen und Malmö, weil in Schweden das Leben und die Mieten günstiger sind. In abgeschwächter Form gilt diese Ersparnis freilich ebenso für jene, die sich in ein schwedisches Hotel einmieten.

So darf man die im Jahr 2000 eröffnete Auto- und Eisenbahnbrücke über den Öresund wohl auch als eine Art Geburtshelfer für die relativ neue Gattung des Städtetrip-Pendlers sehen: Ein bisserl übernachten in diesem Land, und ein wenig Sightseeing im anderen. Derart unkompliziert ist das wahrscheinlich wirklich nur an dieser europäischen Meerenge möglich. Eine reine Trabantenstadt für die billige Beherbung ist die Provinzhauptstadt Malmö, die 40 Kilometer oder dreißig Zugminuten von Kopenhagen entfernt liegt, nun aber auch nicht gerade.

Die Belebung durch eine Brücke hatte die Stadt dennoch einst nötig: In der ehemaligen Industriestadt war Ende der 1980er-Jahre die Schiffswerft Kockums geschlossen worden, was Tausende Arbeitsplätze kostete und Malmö gleich einmal die höchste Arbeitslosenrate in ganz Schwedens bescherte. Doch nicht nur die Brücke und der nahe Kopenhagener Flughafen kamen Malmö zu Hilfe, vieles wurde aus eigener Kraft erreicht. Västra Hamnen, also der Westhafen mit seinem früheren Werftgelände wurde nach dem Vorbild der Londoner oder Hamburger Docks in ein architektonisch mutiges Wohn-, Geschäfts- und Ausgehviertel samt Strand und Promenade verwandelt.

Erst ein Kran, dann ein Torso

Sinnbild des neuen Malmö ist Santiago Calatravas weithin sichtbarer und bekannter Turning Torso, ein helixartig hochgeschraubtes Gebäude, das auch den Kopenhagenern anerkennende Blicke über den Öresund abringt. Längst hat es den alten Kockums-Kran als Wahrzeichen ersetzt, welcher einfach abmontiert und um einen Euro nach Südkorea verscherbelt wurde. Superlative Bauten sind beide: Der Turning Torso ist mit 190 Metern das höchstes Gebäude Nordeuropas, und der Kran war einer der größten weltweit.

Malmö, das früher tatsächlich nur als wenig ansehnliches, industrielles Tor nach Schweden gegolten hat, hat aber auch seine Identität erweitert: Als Standort einer noch jungen Universität aus den späten 1990er-Jahren und als Zentrum für viele Kreativberufe schafft sie es heute, dass gut 40 Prozent der rund 300.000 Einwohner unter 40 Jahre alt sind. Nicht nur in der quirligen, großteils als Fußgängerzone angelegten Gamla Staden, also der Altstadt, ist das leicht zu erkennen.

Deren Herzstück ist die Shoppingmeile Södergatan, die heute den Stortorget - also den Großen Markt, mit seinem Alten Rathaus aus dem 16. Jahrhundert - und den Gustav-Adolfs-Platz miteinander verbindet. Biegt man hier rechts ab, gelangt man zum Lilla Torg, zum Kleinen Platz, der durch alte Fachwerkhäuser und viele neue Lokale positiv auffällt.

Unweit des Stortorget wiederum steht die Kathedrale St. Peter, ein Bau im Stil der Backsteingotik mit noch erhaltenen mittelalterlichen Fresken und angeblich Skandinaviens größter Kirchenorgel. Diese älteste Kirche Malmös wurde nach dem Vorbild der Marienkirche in Lübeck erbaut, als beide Städte der Hanse angehörten. Jene von Malmö hat aber nur einen Kirchturm. Immerhin ist es ihr gelungen, obwohl sie gleich nach der Reformation evangelisiert wurde, ihrer ursprünglichen Verwendung treu zu bleiben. Die Karlskirche ganz in der Nähe wurde dagegen an Privatleute verkauft und ist jetzt ein Ort für Events, Floh- und Weihnachtsmärkte.

Stadt der 175 Nationen

All das liegt in Gehweite wie auch der südlich der Altstadt gelegene Multikulti-Distrikt Möllevången. Früher war Möllan, wie es hier umgangssprachlich genannt wird, ein uniformes Arbeiterviertel, ab den 1950er- und 60er-Jahren kamen Zuwanderer aus aller Welt. Heute nennt sich Malmö stolz die "Stadt der 175 Nationen". Erst in den letzten Jahren folgten die Jungen, die Lässigen und die Kreativen. Die Gentrifizierung ist natürlich im Gange, aber noch hat Möllan den sorgsam abgewetzten Charme des Alternativen, ein bisschen Lower East Side, ein wenig Brüsseler Marolles oder gar Prenzlauer Berg.

Und es ist ein Viertel der Bartträger: Einige davon sind wohl Muslime, andere tragen sie aus modischen Gründen, jedenfalls aber nicht so sauber getrimmt, sondern wild und buschig, was sie um zehn Jahre älter erscheinen lässt. Und damit immer noch sehr jung. Dazu gehören unbedingt Schiebermütze, enge Hose und Jackett oder Strickjacke aus einem Second-Hand-Laden - fertig ist der Hipster.

Auch im Umkreis des Möllevångstorget vermischen sich Soziotope. Auf diesem großen Platz wurden früher Kundgebungen der Gewerkschaften abgehalten, heute ist es ein hipper Lebensmittelmarkt, und nachts, dank zahlreicher gut besuchter Lokale ringsum ein beliebter Treffpunkt. In einer Seitengasse liegt das Einkaufszentrum Mitt Möllan: "Bis vor ein paar Jahren war das hier eine öde Mall von 7.000 Quadratmetern mit viel Ramsch, halb leerstehend und ohne Kunden. Wir haben junge kreative Leute angzogen, die kleine, unabhängige Läden betreiben - für Mode, Kunsthandwerk oder Kulinarisches - und es funktioniert", sagt die Projektkoordinatorin Malin Büsck. Mitt Möllan und ganz Möllevången sind heute auffällig "mysigt", also das, was man auf der anderen Seite der Öresund-Brücke als "hyggelig" und bei uns einfach als urgemütlich bezeichnet.

"Mysigt" ist ein Attribut, das auf das gut 20 Kilometer nordöstlich gelegene Lund aber mindestens genauso zutrifft. Es ist wie Malmö eine Stadt der beseelten, mit skandinavischem Design und lässiger Kleidung bestens ausgestatteten Einkaufsstraßen, die hier Klostergatan, Kyrkogatan oder Storstorget heißen; und auch eine der neugotischen Backsteingebäude - die Universitätsinstitute, was sonst -, sowie der Parks und der uralten Kirchen. Ganze 27 Exemplare gab es einst davon, denn die gesamte Provinz Schonen war Einzugsgebiet der Christianisierung, Lund im Mittelalter der mächtigste Bischofssitz Skandinaviens.

Lund, das um das Jahr 1000 zwar von einem dänischen König gegründet wurde, gilt dennoch als eine der ältesten Städte Schwedens. Wie kann das sein? Noch bis 1658 war Schonen dänisch, doch die Dänen mussten sie nach einem 150 Jahre dauernden Krieg an Schweden abtreten. Der schwedische König Karl XI. ließ die gesamte Provinz daraufhin quasi rückwirkend "schwedisieren", indem er sämtliche Lehrer, Priester und Amtsträger anhielt, fortan nur Schwedisch zu sprechen. So als wäre das hier schon immer so gewesen. Selbst die Universität Lund wurde 1666 ausschließlich zu diesem Zweck gegründet.

Atmosphärisches Studieren

Und doch ist Lund heute wie Malmö eine Stadt der jungen kosmopolitischen Leute, annähernd die Hälfe der 80.000 Einwohner sind Studierende. Vorwiegend als Radfahrer gleiten sie in einem steten Strom an den Touristen vorbei, die sich abends in einer Bar vielleicht bei einem Tagtraum ertappen: Hier wollen sie nochmal studieren - wie damals: egal was, nur wegen dieser Atmosphäre.

Lund, das anders als Malmö immer noch Industriestadt ist, atmet einen gewissen Wohlstand skandinavischer Prägung. Gut zu beobachten etwa im Speisesaal des Grand Hotels, wo sich das Bürgertum trifft, Menschen, die so kultiviert wie zurückhaltend wirken. Und vielleicht auch ein wenig pastorenhaft, insbesondere die gesetzten Männer mit ihren weißen Bärten, die sie - im Gegensatz zu den Jungen - gestutzt tragen.

Diese Bürger können sich Mieten in Lund noch leisten, könnten es vermutlich auch in Kopenhagen - oder wenigstens ein Ticket für den Songcontst. Viele der Lunder Studierenden hingegen weichen zum Wohnen ebenfalls ins günstigere Malmö aus - und pendeln einfach hie und da im selben Zug wie die sparsamen Touristen nach Kopenhagen. (Harald Sager, DER STANDARD, Album, 10.5.2014)