Zur Pose verführt: Der Schweizer Kurator Antony Hudek und sein Hund posieren im Rahmen von "curated by_vienna 2013" als Lookalike eines Gemäldes.

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Galeriebesucher nehmen dokumentierend und reagierend Haltung an.

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Aufgaben von Galerien: Diskurse anregen, spielerisch Fragen stellen sowie Durchblick verschaffen.

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Wien - "Licht meines Lebens, Feuer meiner Augen. Ich liebe sie und sehne mich nach ihnen. Ich besuche bis zu dreißig in der Woche, und das jede Woche des Jahres. Sie sind für mich soziale Räume, kollektive Séancen, Lagerfeuer, an denen jeder sich versammeln kann."

So enthusiastisch beschrieb der US-Kunstkritiker Jerry Saltz im Vorjahr sein Verhältnis zu Galerien. Im New York Magazine pries Saltz die Vielfalt an Kunst, die in Galerien bei freiem Eintritt konsumiert werden kann, und schwärmte von der niederschwelligen Atmosphäre, in der er sogar gerne mit Fremden plaudere.

Selbst wer hierzulande und nicht in New York mit seinen geschätzten 900 Kunsthandlungen lebt, kann jetzt intensiv in das aktuelle Galeriengeschehen eintauchen. Beim Vienna Gallery Weekend von 16. bis 18. Mai öffnen 22 Galeristen ihre Pforten bis Sonntagnachmittag. Das lange Kunstwochenende beginnt bereits am Donnerstag mit Vernissagen, lädt am Freitag zu Galerienbrunchs und liefert mit Führungen und Talks Chancen zur Vertiefung.

In Städten wie Brüssel, London oder Paris finden solche geballten Veranstaltungen mittlerweile Anklang. Die Mutter all dieser Tage der offenen Galerientüren ist aber das Berliner Gallery Weekend, das kürzlich zum zehnten Mal stattgefunden hat. 2005 wurde dort die Erfolgsidee geboren, die Frühjahrsvernissagen als internationalen Event aufzuziehen.

Waren es damals 20 Galerien, die sich zum konzertierten Auftritt zusammentaten, so rollte heuer die gewaltige Besucherwelle bereits zu 50 offiziellen Teilnehmern - und noch 300 inoffiziellen.

Beeindruckend war der Andrang von Gästen aus Übersee, die in Limousinen vom Ausstellungsmarathon zu VIP-Dinnern und Partys kutschiert wurden.

Die fünfte Ausgabe des Vienna Gallery Weekend erwartet ebenfalls mehr internationale Besucher als je zuvor. "Sicher kann man sich über das Programm der Wiener Galerien auch auf Messen informieren, aber es ist viel spannender, die Kunstszene einer Stadt vor Ort zu erleben", sagt die Galeristin Gabriele Senn.

Als Präsidentin des österreichischen Galerienverbandes hat sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um verstärkt ausländische Sammler herzuholen. "Sie sollen mit dem Eindruck wieder heimfahren: Da spielt sich was ab!", sagt Senn, die sich eine stärkere Verankerung der aktiven Wiener Kunstszene in den Köpfen wünscht.

Dabei richtet sich das Vienna Gallery Weekend keineswegs nur an eine auswärtige Klientel oder an Leute aus dem Kunstbetrieb. Bei der letztjährigen Austragung kamen rund 7000 Besucher.

"Unsere Führungen mit Kuratoren wurden begeistert angenommen. Sie bieten einen tollen Einstieg, wenn man sich noch nicht so auskennt." Senn begreift ihre eigene Rolle als Galeristin stark als Vermittlerin. "Ich liebe meinen Job und sehe es als Privileg, mit so vielen interessanten Menschen in Berührung zu kommen."

Das Sammlerpaar Margot und Roman Fuchs hat in den letzten 25 Jahren eine große Kollektion aufgebaut. "Das Gallery Weekend ist eine Bereicherung für die örtliche Sammlerschaft, da sich die Galerien um gute Ausstellungen bemühen", sagt Roman Fuchs, der den Großteil seiner Freizeit auf den "Fanatismus" Sammeln verwendet.

"Im Vergleich zu Metropolen wie London oder Paris hat Wien - trotz seiner ,Kleinheit' - eine sehr gute Galerienszene, wo man durch die hohe Vernetzung fast alles Internationale kaufen kann." Mit seiner Sammelwut hat Fuchs schon etliche Freunde und Bekannte angesteckt. Dabei geht es dem Gartenarchitekten aber nicht nur um den Erwerb von Kunst. "Mir sind die persönlichen Kontakte wahnsinnig wichtig, vor allem bei Vernissagen, wenn Galeristen und Künstler anwesend sind." Leidenschaft ist das Schlüsselwort. "Es ist weniger ein Beruf als eine Berufung", sagt Rosemarie Schwarzwälder von der Galerie nächst St. Stephan über ihre Arbeit.

Schöne Entdeckungen

Um zu reüssieren, gilt es nicht nur Kunstsinnigkeit und ein enormes Wissen mitzubringen, sondern auch kaufmännisches und strategisches Talent. "Einen Galeriebetrieb zu führen, den Lebensunterhalt von einigen Künstlern finanzieren beziehungsweise mitfinanzieren zu können, erfordert harte Arbeit, Geschick und Durchhaltevermögen", sagt die Galeristin Miryam Charim. Dafür sind die Galeristen ganz nah dran am Kunstschaffen und zählen die Entdeckungen ihrer Erfolgskünstler zu den schönsten Berufserfahrungen.

Dennoch muss für jeden jungen Künstler erst ein Markt geschaffen werden. Während Institutionen annähernd gesicherte Positionen zeigen, gehen Galeristen das Wagnis des Neuen ein. Sie bieten aufstrebenden Newcomern die nötige Professionalisierung ebenso wie Entfaltungsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit. "Künstler brauchen Räume, die sie als Experimentierfelder benutzen können", sagt Senn über die Wichtigkeit der Galerieausstellungen. Nach jahrelanger Aufbauarbeit sieht sie in Österreich jetzt endlich eine neue Schicht von Sammlern entstehen.

Wie man junge Leute für Kunst begeistert, damit hat Jacqueline Nowikovsky viel Erfahrung. "Das Sammler-Sein und -Werden ist vor allem lebendige Auseinandersetzung mit einer Kunstszene", sagt die Wiener Repräsentantin des Londoner Auktionshauses Bonhams. Sie hat heuer die Sammlerplattform "Young Secession" mitbegründet, eine Art Nachwuchsprojekt zum Föderverein "Freunde der Secession".

Die frühere Kunstberaterin spricht dabei jüngere Interessenten an und organisiert Atelierbesuche, Führungen und Reisen. "Es geht vor allem darum, in diesem großen Rauschen des fantastischen Angebots, das der Kunstmarkt heute lokal, global und digital bietet, das zu finden, was einen selbst berauscht." Nowikovsky schätzt, dass viele Wiener Galeristinnen wie Ursula Krinzinger oder Miryam Charim neben ihrem regulären Betrieb noch andere Projekte verfolgen, die die Offszene zum Schnuppern einladen. "In Wien tut sich genug, die Leute müssen nur hingehen."

Die Sammlerin Jasmin Wolfram hat den Weg zur Kunst durch einen Umzug gefunden. "Meine Wohnung liegt nahe der Akademie der bildenden Künste. Durch die Tage der offenen Tür dort habe ich rasch Zugang gefunden."

Bei ihren Käufen in Galerien schätzt die PR-Beraterin, dass sie über den Werdegang von Künstlern auf dem Laufenden gehalten wird. Zudem werden die künstlerischen Positionen in neue Kontexte gerückt, arbeiten Galerien doch kontinuierlich an der Platzierung ihrer Künstler in guten Ausstellungen und Sammlungen. "Das Engagement der Galeristen und das Risiko, das sie eingehen, ist wirklich toll", sagt Wolfram, nachdem sie aktuell selbst in ein Ausstellungsprojekt eingebunden ist.

Einige Gemälde aus Wolframs Besitz hängen derzeit als Leihgaben in der Schau Call Me On Sunday bei Krinzinger Projekte. Die von Ursula Maria Probst kuratierte Ausstellung zeigt ausschließlich Arbeiten von Künstlerinnen, der Großteil davon aus Privatkollektionen. Das ist kein Zufall. Die Schau ist Teil des Projekts Curators Collectors Collaborations, das Ausstellungsmacher und Sammler zusammenführt. "Ich halte es für enorm wichtig, dass durch Recherche sichtbar wird, was Sammler machen", sagt Ursula Krinzinger zu ihrer innovativen Reihe von Ausstellungen und Publikationen.

Höhen und Tiefen

Pionierinnen wie Krinzinger oder Schwarzwälder haben seit den 1970er-Jahren die Höhen und Tiefen des hiesigen Kunstmarkts erlebt. Die österreichischen Galerien sind auf den wichtigsten Kunstmessen weltweit wie der Art Basel oder der Londoner Frieze Art Fair schon lange vertreten, und sie schaffen vermutlich mehr für die Wahrnehmung heimischer Künstler im Ausland als irgendjemand sonst. Angesichts der globalen Konkurrenz mit aufstrebenden Szenen in Osteuropa und in Asien ist das aber nicht genug. Es gilt vielmehr den Kunststandort Wien zu stärken.

Die Zeichen dafür stehen gut: Seit der Jahrtausendwende hat die Wiener Galerienlandschaft eine wahre Gründerzeit und durch Galeristen wie Andreas Huber oder Emmanuel Layr eine Verjüngung erlebt. Die gemeinsamen Vernissagenabende in den Galerienclustern Schleifmühlgasse, Eschenbachgasse oder Seilerstätte verströmen eine extrem vitale Stimmung.

"Wien ist viel zeitgenössischer, als es sich nach außen hin darstellt", sagt der Direktor der Kunsthalle Wien, Nicolaus Schafhausen. Für den Ausstellungsmacher, der schon u. a. in Frankfurt, Rotterdam und Brüssel gearbeitet hat, gibt es in Wien einen "unglaublichen künstlerischen Reichtum" zu entdecken. "Es ist außergewöhnlich, wie hier unterschiedliche Generationen von Galeristen an einem Strang ziehen, um Projekte wie jetzt das Gallery Weekend auf die Beine zu stellen."

Von öffentlicher Seite wünscht man sich, dass mehr in das Marketing dieser Vielfalt investiert werden. "Die Galerien können dabei als kulturpolitischer ebenso wie als ökonomischer Faktor eine wichtige Rolle spielen", sagt Schafhausen. Das Vienna Gallery Weekend geht mit gutem Beispiel voran. (Nicole Scheyerer, Spezial, DER STANDARD, 10./11.5.2014)