Wien - Diese Erfahrung macht ein jeder: Wenn sich irgendetwas ereignet, steckt dahinter immer mehr als das, was man als Zeuge unmittelbar mitbekommen kann. Außerdem bleiben Reste, Spuren und Erinnerungen übrig. Wer ein Ereignis nicht selbst miterlebt hat, gewinnt aus solchen Hinterlassenschaften eine Vorstellung davon, was passiert sein könnte.

Zu diesem ganz normalen Basteln an der Wirklichkeit hat der junge Künstler Milan Mladenovic im Kunstraum Niederösterreich eine nicht wirklich normale Performance gezeigt: 8. Deren "Reste" sind in Form einer Skulpturen-Ausstellung noch bis zum 24. Mai zu sehen (Kuratorin: Sissi Makovec). 8 war ein Ereignis in "acht Schleifen" und der gelungene Abschluss der nur scheinbar harmlos betitelten Reihe Das wundervolle Gefühl der Verkürzung.

Diese Verkürzung bestand bisher aus drei Veranstaltungen: einer Diskussion über Arbeitsbedingungen für Performer, dem von Peter Kozek kuratierten Abend Sculpture Me mit unter anderen Jakob Lena Knebl und einem Künstlergespräch. Das Thema (stark verkürzt): Wie mit der Vergänglichkeit von Performance umzugehen und wie sie mit dauerhaften Erzeugnissen der bildenden Kunst in zu verbinden ist.

Mladenovic hat diese Frage auf seine Art beantwortet: mit zehn parallel laufenden Einzelperformances, die erst durch das Umherwandern der Besucher ihre individuell zu erfahrenden Zusammenhänge erhielten. So gestaltete jeder Zuschauer sein eigenes Erlebnis von 8. Da stieg eine Frau vorsichtig in hintereinander gereihte Schuhe und erzeugte so elektronisch verstärkte Geräusche. Dort stand starr ein riesiger Mann, dessen Stiefel auf Metallstifte montiert waren. Es gab eine Frau, die das Bild ihres Gesichts auf ihr Gesicht projiziert bekam. Und etwa ein Zwillingspaar, das eine Livespiegelung nachstellte.

Alltag und Metapher

Hier eröffnete sich eine Welt zwischen der analogen Wirklichkeit und verschiedenen Möglichkeiten ihrer Virtualisierung. Letztere wurden allerdings auch ironisch konterkariert. Da bewegte Abläufe im Gedächtnis auch als Bilder oder Situationen abgespeichert werden, konnten über Mladenovics "skulpturale Formen von Bewegung" ganz konkrete Verbindungen zum Alltag hergestellt werden. Obwohl sich das Publikum zwischen Übersetzungen und Überhöhungen der Erfahrungswelt in einem metaphernhaften Szenario bewegte.

Die ausgezeichnete Arbeit überzeugte durch ihre durchdachte Klarheit und sorgfältige Inszenierung. Offen blieb vielfach, was genau hinter den einzelnen lebendigen Skulpturen stecken mag. Möglicherweise sollten sie selbst bereits Reste, Spuren und Erinnerungen sein, die sich mit jenen der Besucher verknüpfen konnten und in dieser Verbindung zum Kunsterlebnis wurden. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 10.5.2014)