Wien - Seit Jahren gibt es für Gerichte die Möglichkeit, bei straffällig gewordenen Suchtkranken den Grundsatz "Therapie statt Strafe" anzuwenden. Doch bei der praktischen Umsetzung der gesundheitsbezogenen Maßnahme hapert es - und dadurch entstehen dem Staat auch enorme Kosten.

Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Gabriele Fischer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Wien. Für die Studie der Med-Uni wurden Daten von 2011 herangezogen: 96 Opiatabhängige, die nicht ins Gefängnis mussten, und 228 suchtkranke Häftlinge, die wegen drogenbezogener Delikte einsaßen.

Für Therapie statt Strafe entscheiden sich Richter vor allem dann, wenn es um Drogenbesitz beziehungsweise kleine, selbst abhängige Dealer geht. Kommt aber Beschaffungskriminalität wie Einbruch, Diebstahl oder Raub dazu, geben Richter strafrechtlichen Konsequenzen den Vorzug.

Das System hat nach Ansicht der Forschungsgruppe Schwachstellen. "Besorgniserregend ist, dass Suchtkranke in der gesundheitsbezogenen Maßnahme bereits zu über achtzig Prozent strafrechtliche Vorverurteilungen aufweisen und neben der Opiatabhängigkeit an schweren psychiatrischen Grunderkrankungen leiden, die offensichtlich nicht entsprechend erkannt werden", sagt Fischer. Vor allem Depressionen, Angststörungen und Suizidgedanken seien weit verbreitet.

Gefängnisplatz viel teurer

Da Richter sich auf psychiatrische Gutachter verlassen, fordert Fischer eine Qualitätssicherung, die es derzeit für Fachgutachten bei Gericht nicht gibt. Diese Optimierung würde sich letztendlich auch finanziell auszahlen. Die ambulante medizinische Behandlung eines Heroinpatienten koste rund 4000 Euro pro Jahr, für einen suchtkranken Häftling in einer Justizanstalt müsse der Staat 34.500 Euro jährlich bereitstellen. (Michael Simoner, DER STANDARD, 16.5.2014)