Bild nicht mehr verfügbar.

Der Aufsichtsrat der Mailänder Scala will streng darüber wachen, ob Intendant Alexander Pereira die Erwartungen erfüllt.

Foto: AP/Antonio Calanni

STANDARD: Sind Sie ein Intendant auf Bewährung?

Alexander Pereira: Nein! Ich selbst habe Bürgermeister Giuliano Pisapia die Befristung angeboten, ich wollte den gordischen Knoten zerschlagen. Nun habe ich bis Ende 2015 Zeit zu beweisen, dass ich mein Geschäft verstehe. Der Aufsichtsrat, der sich neu zusammensetzen wird, kann dann über das weitere Vorgehen in Ruhe entscheiden. Und ich auch. Wenn es so ist wie in den letzten Wochen, habe ich keine Lust, an der Scala zu bleiben. Aber ich weiß, welche Qualität ich liefern kann. Ich habe keine Angst, mein Risiko ist gering.

STANDARD: Können Sie sich erklären, warum Ihr Einkauf für die Scala - vier Salzburger Produktionen um 690.000 Euro - Sie fast den Job gekostet hätte?

Pereira: Begonnen hat es mit einer ungeschickten Äußerung von Helga Rabl-Stadler, die sie aber längst korrigiert und bedauert hat. Auf der Pressekonferenz zum Saisonabschluss hat sie gesagt, die Festspiele hätten Gewinn gemacht, weil die Scala um 1,6 Millionen Euro eingekauft habe. Tatsächlich waren es 690.000 Euro, der Rest kam aus Abschreibungen für Jedermann und Norma sowie von Koproduktionen etwa mit der New Yorker Met und der Opéra de Paris.

STANDARD: Der Vorwurf, Sie hätten als designierter Scala-Intendant mit dem amtierenden Festspiel-Intendanten den Operndeal abgeschlossen, ist vom Tisch?

Pereira: Der Mailänder Bürgermeister, der ja auch im Aufsichtsrat ist, hat klar bestätigt, dass ich keine Geschäfte mit mir selbst gemacht habe. Meine Nachfolger, Sven-Eric Bechtolf und Helga Rabl-Stadler, haben gemeinsam entschieden, ob sie das Angebot der Scala annehmen. Sie wollten zunächst wesentlich mehr, wir haben hin und her verhandelt und uns schließlich auf diesen Preis geeinigt. Auch Stéphane Lissner wird zwei Mailänder Produktionen an die Pariser Oper mitnehmen; und ich als sein Nachfolger in Mailand kann sagen, ich sei damit einverstanden.

STANDARD: Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden fürchtet, dass Mailand die Verträge nicht einhalten und Salzburg durch die Finger schauen wird. Zu Recht?

Pereira: Unsinn! Natürlich bleiben die Verträge gültig.

STANDARD: Die Scala sei kein Einkaufszentrum, in dem Produktionen anderer Theater recycelt werden, lautete ein Vorwurf an Sie.

Pereira: Natürlich hat die Scala bisher schon Produktionen übernommen, auch aus Salzburg. Lissner etwa Die Soldaten, Rosenkavalier, Romeo und Julia oder die Cosí. Ich habe dem Aufsichtsrat gesagt, welch einmalige Chance es ist, dass ich mir als Festspielintendant Produktionen ausdenken, die Sänger, Dirigenten, Regisseure engagieren, die Probenarbeit verfolgen und die Reaktionen eines Weltpublikums und der Presse erfahren kann. Wenn ich mit Kollegen anderer Opernhäuser koproduziere, habe ich keinen Einfluss, ob das eine erstklassige Aufführung wird oder nicht. Das Risiko ist tausendmal geringer, wenn ich eigene Produktionen mitbringe. Und ich kann so in Mailand in kurzer Zeit zeigen, wie ich mir Operntheater vorstelle.

STANDARD: Kann die Scala ohne Koproduktionen existieren?

Pereira: Natürlich nicht! Im Gegensatz zu den dreizehn Produktionen, die die Scala in ihren eigenen Werkstätten hergestellt hat, werde ich zwanzig Eigenproduktionen auf die Bühne bringen. Zusätzlich werde ich zwanzig Titel als Koproduktionen einkaufen und zwanzig aus dem Fundus nehmen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn wenn ich sowieso zwanzig Produktionen auftreiben muss, warum nicht in Salzburg, wo ich die Qualitätskontrolle habe? Dass das nicht die beste Lösung sein sollte, konnte mir noch niemand erklären.

STANDARD: Haben Sie sich von Ihrem Vorgänger Stéphane Lissner mehr Unterstützung erhofft?

Pereira: Nein, ich will ihn nicht zum Sündenbock machen! Wenn, dann all jene, die diesen Job gern gehabt hätten und mich abzuschießen wollten. Schuld sind aber vor allem die Auswüchse des Bürokratismus in Italien. Für alle, die diesen Bürokratismus pflegen, bin ich ein Feind.

STANDARD: Sie hätten als Konsulent nicht allein entscheiden dürfen.

Pereira: Überall sonst in der Opern- und Theaterwelt darf der Directeur délégué selbstverständlich alle Verträge unterschreiben, nur an der Scala nicht. Laut italienischem Theatergesetz darf dies nur der amtierende Intendant. Das bringt absurde Interessenkonflikte. Lissner plant ja schon für Paris, Daniel Barenboim für Berlin - ich für Mailand. Ich müsste alle meine Planungen offenlegen - auf die Gefahr hin, dass mir die anderen eine Produktion oder einen Künstler abjagen könnten.

STANDARD: War Ihnen diese Gesetzeslage nicht bewusst, als Sie die Opern kauften?

Pereira: Ich wusste, dass es diesen Beratervertrag gab, aber ich habe es mir weniger pingelig vorgestellt. Ich muss ja planen! Wer glaubt, dass ich bis zum ersten September 2014 nichts mache und dann Produktionen aus dem Hut zaubere, kennt sich nicht aus. Künstler müssen gesichert werden. Sonst hat man kein Programm. Wenn sich die Mailän- der Scala während der Expo 2015 als Weltinstitution präsentieren will, dann muss man rechtzei- tig entsprechende Verträge schließen.

STANDARD: Womit werden Sie Ihre Intendanz in Mailand beginnen?

Pereira: Die Scala eröffnet im Herbst mit Fidelio unter Barenboim. Das wurde noch von ihm und Lissner geplant. Die erste von mir geplante Premiere wird am 15. Februar 2015 Aida in der Inszenierung von Peter Stein sein. Dirigieren wird Lorin Maazel. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 17./18.5.2014)