Wien - "Für den Großteil der jungen Menschen ist Familie der zentrale Wert im Leben", stellt Mag. Christiane Pfeiffer, Leiterin der psychosozialen Forschungsabteilung am ÖIF fest. Das bestätigen auch zahlreiche Wertestudien: Für zwei Drittel der Jugendlichen ist Familie einer der zentralsten Bereiche ihres Lebens. Wenn auch der Wunsch nach Selbstverwirklichung daneben sehr hoch ist, so sind gleichzeitig schützende Beziehungen, z.B. durch die Familie, für junge Menschen von großer Bedeutung.

Wenn Familie und Kinder ein erklärtes Lebensziel unserer Jugend sind, stellt sich die Frage, warum die Zahl derer sinkt, die diesen Wunsch verwirklichen und warum die gewünschte und die tatsächlich realisierte Kinderzahl so weit auseinander liegen?

Nicht gerade ermutigend

"Die Rahmenbedingungen ermutigen junge Menschen nicht gerade, eine Familie zu gründen" so die Soziologin Pfeiffer, "denn die Vereinbarkeit von Familie und Erwerb ist nach wie vor - speziell für die Mütter - ein nahezu unlösbares Problem." Das heißt besonders für Frauen entweder die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen und auf eigenes Einkommen und damit auf sozialrechtliche Absicherung zu verzichten oder eine Kinderbetreuungseinrichtung - falls vorhanden - in Anspruch zu nehmen. Damit werden junge erwerbstätige Mütter aber in einen Rollen- und auch Gewissenskonflikt getrieben.

Überforderung

Aber auch in einem weiteren Bereich ist eine Überforderung festzustellen: Junge Paare möchten ihren Kindern die bestmöglichen Startbedingungen bieten. Dies führt oft zu der subjektiven Einschätzung, dass die aktuellen Bedingungen nicht gut genug sind: zu wenig Einkommen, zu kleine Wohnung, unsicherer Arbeitsplatz. Die insgesamt gestiegenen Ansprüche betreffen die Menschen nicht nur individuell, sondern wirken sich auch auf die Familiengründung aus. Konfrontiert mit oftmals überzogenen Vorstellungen, wie es idealerweise sein sollte, befinden sich junge Menschen in einem Spannungsfeld, das nur zu Überforderung führen kann. Hier sind Vergleiche mit "guten" Vorbildern aus der Vergangenheit ebenfalls wenig hilfreich.

Im späten 19. und im 20. Jahrhunderts veränderten sich Funktion, biographische Bedeutung und sozialer Stellenwert von Kindern für ihre Eltern nachhaltig. Der ökonomische Wert der Kinder für die Alterssicherung und als Familienarbeitskräfte wurde vom sinnstiftenden und emotionalen Wert abgelöst. Der Hinweis, dass früher Solidarität und Verzicht die bestimmenden Prinzipien waren und daher Familie gelebt werden konnte ist nicht nur - historisch betrachtet - eine Verkürzung, sondern trägt höchstens zu einer Polarisierung bei. "Solange die Meinung festgeschrieben wird, dass mit der Gründung einer Familie das eigene individuelle Leben endet, werden junge Menschen nicht ermutigt, sondern abgeschreckt, sich für Kinder zu entscheiden - obwohl Kinder nach wie vor einen hohen Rang in der Hierarchie der Einstellungen und Werte einnehmen", so Pfeiffer abschließend. (red)