Die Voestalpine ist erfolgreich. Und zwar nicht, weil sie der staatliche Kernaktionär ÖIAG vor allen bösen Marktkräften und vielen gierigen Konkurrenten beschützt hat, sondern weil die Voest ausgezeichnete, innovative Produkte zu einem attraktiven Preis herstellt. Und der Beginn der Erfolgsstory fällt nicht zufällig mit dem Börsegang 1995 zusammen. Erst durch den Marktdruck wurde damals die Macht von Betriebsratskaisern und Parteibonzen nachhaltig gebrochen. Und der Konkurrenzkampf hat dem Unternehmen Muskeln an den richtigen Stellen verliehen.

Diese simple Wahrheit wird in der Privatisierungsdebatte kaum beachtet. Die freie Marktwirtschaft ist der ÖVP- Führung ebenso suspekt, fremd und bedrohlich wie der SPÖ, der FPÖ und den Grünen. Der tölpelhafte Versuch, die Voest "heimzuholen", ihre Zentrale in Österreich festzuschreiben, die Aktien österreichischen Versicherungen und Banken zuzuschieben und ganz nebenbei auch noch Beschäftigungsgarantien einzufordern: Dieses schlichte Privatisierungskonzept könnte auch von den Betriebsratskaisern der 70er Jahre stammen.

Im Kern bezweckt es nämlich nichts anderes, als die ^Voest wieder in wichtigen Bereichen zu einer geschützen Werkstätte zu machen. Bruno Kreiskys berühmte Formel "Ein paar Milliarden Schulden mehr bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar hundert Arbeitslose" führte dazu, dass die Voest trotz Infusionen von mehr als 100 Milliarden Schilling zum Arbeitsplatzgrab ohne Vergleich wurde.

Die Rolle des Staates wird nun - in abgemilderter Form - den "privaten Investoren" um den Chef der Raiffeisenbank Oberösterreich, Ludwig Scharinger, und anderen zugedacht. Sie sollen in Zukunft der Garant für Arbeitsplätze und die Unternehmenszentrale in Linz sein. Was nichts anderes heißt, als dass sie in ihre Tasche greifen müssen. Denn die Abkehr von Marktmechanismen kostet Geld - ob das nun der Verzicht auf eigentlich notwendige Kündigungen ist, der Erhalt von möglicherweise verzichtbaren Standorten oder andere schmerzhafte Maßnahmen, die Hand in Hand mit jeder Krise einhergehen. Ob aber Scharinger & Co diese Versprechen einhalten können, ist fraglich. Wahrscheinlich ist, dass die bald an der Voest beteiligten Versicherungen eher Rationalisierungen fordern werden, statt die Mindestverzinsungen ihrer Lebensversicherungen abzusenken. Wahrscheinlich ist, dass auch Ludwig Scharinger trotz aller Verbundenheit mit dem Land Oberösterreich eher seine Bankbilanz im Auge haben wird als milde Gaben an die Voest - gar nicht daran zu denken, wenn größere Industriepleiten, wie sie Österreich mit Eumig, Klimatechnik und anderen bereits erlebte, seinen Beteiligungsbauchladen erschüttern. Private Investoren unterliegen der Schwerkraft des Marktes, und dieser Druck wird an die Beteiligungen weitergegeben. Wer sich dem Druck widersetzt, hat bald nichts mehr zu investieren - spätestens hier scheitert jede Sozialromantik.

Die Probleme, die auf die privatisierte Voest zukommen können, entstehen nicht durch den freien Markt, sondern weil genau dieser in Österreich weitflächig zur Karikatur verkommen ist. Es gehört schon eine recht große Portion an ministerieller Ignoranz dazu, zu beweinen, dass die Voest weit unter ihrem wahren Wert an der Wiener Börse notiert, und dann eben diese Börse augenzwinkernd wie einen zwielichtigen Gambleclub der Mafia zu missbrauchen. Da werden riesige Pakete der VA Tech in vier Sekunden durch die Börse "geschossen", da erzählen Bundeskanzler und Landeshauptmann bereits vor dem Voest- Börsegang - ja noch vor der Preisbildung - von den exakten Beteiligungsverhältnissen, die nach dem Börsegang herrschen werden. Da wird einem Voest-Chef, der in anderen Ländern vor einer Gefängnisstrafe zittern müsste, ganz locker das Vertrauen ausgesprochen.

Leider wird die dumpfe Ratlosigkeit und die Freunderlwirtschaft noch immer für Wirtschaftspolitik gehalten.