Es ist schäbig, aber wahr: Ich bin ruhmsüchtig. Was bleibt einem anderes übrig, nach Bezahlen der Handygebühr, Flatrates, Mehrwert-und Einkommensteuer? Berühmte Leute sind einfach reicher als unberühmte. Und berühmt wird man, wenn andere über einen schreiben. Oder wenn man selber schreibt. Joanne Rowling, Potter-Mutter, gilt mittlerweile als reichste Frau Großbritanniens.

Ist es nicht denkwürdig, dass man mit einer prälogischen Schmonzette die alte Logik von Macht und Grundbesitz so einfach auf Rang zwei verweisen kann?

Die Herrschaft der Vernunft gebiert Magier und Ungeheuer, die Leute wollen eskapistische Storys. Mit Helden. Damit sind die Zeiten vorbei, als man streng zwischen Ruhm & Ehre und Glück & Reichtum unterschied.

Sie erinnern sich doch an die Geschichte aus tausend und einer Nacht? Es gibt einen falschen Prinzen, der eigentlich ein Schneider ist, aber den Prinzen ganz gut spielt. Nun kommt der echte Prinz und erhebt Ansprüche, ist aber in Beweisnot. Worauf der Wesir zwei Kästchen holt, eins heißt "Glück & Reichtum", das andere "Ruhm & Ehre". Der Schneider-Prinz wählt das Kästchen Glück & Reichtum und findet eine Nähnadel. Der Echt-Prinz akzeptiert das andere, findet den Siegelring und widmet sich fürderhin der Mühsal des Regierens. Das waren noch Wahlmöglichkeiten.

Inzwischen sind alle um mich herum ruhmsüchtig, sogar die Kinder wollen Popstars werden. Keiner hat eine andere Wahl. Der Neoliberalismus oder wie man die momentan herrschende postlogische Bewusstseinsschmonzette nennt, gebiert lauter Prinzen und Prinzessinnen. Was bleibt ihnen anderes übrig, wenn man mit Schneidern nicht mehr zu Geld kommt? Wenn man überhaupt keine Schneider mehr braucht? Jedenfalls nicht mehr in der Schleifmühlgasse in Wiens viertem Bezirk. Da hat die Änderungsschneiderei dichtgemacht.

Die Schleifmühlgasse ist berühmt. Zeitungen in Boston schreiben lieber über die Schleifmühlgasse als über das Muqua. Hier wirken Unternehmer mit Esprit, Geschmack und tadellosen Schaufenstern. Ich wohne da und würde gerne zur Bereicherung beitragen. Außerdem will ich berühmt werden, wegen Glück und Reichtum. Und da legen mir die Götter des Zufalls doch eine leere Vitrine zu Füßen, die Vitrine der leeren Änderungsschneiderei. Wenn einem die Götter (und Hermann) einen Ball zuspielen, muss man ihn aufnehmen und verwandeln, sonst zürnen sie.

So adoptierte ich die Vitrine. Wenn ich schon keine Kolumne im STANDARD bekomme, dann eben in der Änderungsschneiderei. In diesem Schaufenster inszeniere ich 1001 Geschichten, und dann gehe ich als die Scheherazade der Schleifmühlgasse in die Geschichte der Schleifmühlgasse ein.

Mittlerweile erzählte die Vitrine von der Kunst des Konkurses, von sexy Kleidung, von unplugged Ladies und vom Zölibat, ich habe höfliche und unhöfliche Vitrinen gestaltet und sogar dem Elend des Ehekriegs eine universalverständliche Installation errichtet. Geschichten liegen genug auf der Straße und wollen aufgehoben werden. Als ich den kleinsten Swingerklub Wiens einrichtete, gab es etwas Unmut, ansonsten werde ich übersehen. Einmal erhielt die Vitrine begeisterte Motivationsmails berühmter Personen, sogar von a.schwarzenegger12@hotmail.com. Sinnlos. Die Vitrine ist einfach nicht schick genug. Hässlich, bedürftig, ohne Glamour. Niemand schreibt über sie. Alles muss man selber machen, wenn man nicht berühmt ist.

Logischerweise verachte ich mich wegen meiner Ruhmsucht. Unsterblichkeit anzustreben ist verantwortungslos, angesichts der Probleme der Pensionskassen. Alles, was in der Schleifmühlgassenvitrine entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht, schrieb goethe@hotmail.com neulich in einem Mail, demütig wechsle ich die Texte weiterhin im monatlichen Rhythmus.

Ist es nicht interessant, dass Leute, die wirklich unsterblich sind wie Odysseus und Prometheus, Tristan und Isolde, Abraham und Ruth, Edda und Scheherazade allesamt Prälogiker waren? Sie zahlten niemals Mehrwertsteuer. (DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.8.2003)