Grüner Prater statt Bundesbetreuung: Asylwerber Nenad (22) in der Nähe seines unfreiwilligen Winterquartiers.

Foto: Standard/Cremer
Wien - Den Weg zurück in den Graben unter den schütteren Praterbäumen fände er wohl auch im Schlaf. Im Dunkeln sowieso, weil es jedes Mal stockduster war, wenn Nenad (Name geändert) und sein Freund - Flüchtlinge aus Mazedonien - mit ihren Schlafsäcken nahe der Lusthausstraße in den Wald stapften, um sich zur Nacht zu betten.

Im vergangenen Winter, bei Schnee und Minusgraden: "Länger als vier Stunden konnten wir hier nicht schlafen. Dazu war es viel zu kalt", erzählt der ehemalige mazedonische Soldat von acht langen Wochen "ganz unten", als unterstandsloser Asylwerber. Auch von den Hunden früher Spaziergänger seien sie regelmäßig aufgestöbert worden.

Also rollten Nenad und sein Freund die Schlafsäcke wieder zusammen. Machten sich zu Fuß auf den Weg zurück in die Stadt, um in Pfarreien und anderen karitativen Flüchtlingsauffangstellen ihre Tage zu verdämmern. Dort, so erzählt der 22-Jährige, habe es zwar heißen Tee und Essen, aber keine Chance auf ein Dach über den Kopf gegeben.

Weil die Aufnahmekapazitäten rettungslos überlastet waren. Es immer noch sind, wie Mirella Meric, Flüchtlingsberaterin bei der Caritas erläutert: "Allein ins Wiener Caritaszentrum kommen täglich rund 40 Asylwerber, die auf der Straße stehen", erzählt sie. Nachsatz: "Es ist für Berater schwer auszuhalten, wenn Asylwerber vor ihnen auf die Knie fallen und bitten, doch etwas für sie zu tun."

Meric hat jetzt schon Angst vor dem kommenden Winter - und steht damit unter den Flüchtlingshelfern keineswegs allein da: "Wir haben es im Innenministerium derzeit mit Mitarbeitern zu tun, die zu keinerlei Zugeständnissen mehr bereit sind", beschwert sich Christoph Riedl von der evangelischen Diakonie. Weder "eine Nigerianerin mit zweijährigem Kind", noch "eine Familie mit offen an Tuberkulose erkrankter, dreijähriger Tochter" (DER STANDARD berichtete) seien es den Beamten Wert, in Bundesbetreuung aufgenommen zu werden.

Auch Marion Kremla von der Asylkoordination Österreich fordert "dringend Vorkehrungen für Asylwerberunterkunft in der kommenden kalten Jahreszeit" und darüber hinaus ein. Nicht ohne Grund hätten bis jetzt schon 6000 Menschen für die Initiative "Existenzsicherung für Flüchtlinge" unterschrieben.

Zumal sich an der Praxis, Flüchtlinge trotz aufrechtem Asylantrags aus der Bundesbetreuung auszuschließen, nichts geändert habe. Auch für Nenad nicht. Obwohl der junge Mazedonier derzeit als Saisonarbeiter Geld und Wohnmöglichkeit hat, blickt er mit leisem Grauen in "seinen" Pratergraben: "Das Wohnen hier war wie ein böser Traum. Und ich fürchte, für mich ist der ist noch nicht zu Ende."(Irene Brickner/ER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2003)