Wien - Die Wirtschaftskammer (WKÖ) hat im Rahmen des Österreich-Konvents Sparvorschläge vorgelegt, die weit über die Regierungsplanungen für diese Legislaturperiode hinausgehen. In einem dem Konvent übermittelten Papier ortet die WKÖ zwischen 3,4 bis 3,9 Mrd. Euro Sparpotenzial im Zusammenhang mit der Bundesstaatsreform. Der Löwenanteil soll aus der Verwaltung kommen.

Vorschläge für alle Verwaltungsebenen

In den Vorschlägen noch nicht berücksichtigt sind Einsparungen im Pensions- und Gesundheitssystem, ebensowenig eine eventuelle Reduzierung von Staatsaufgaben oder eine Neugestaltung des Finanzausgleichs. Anders als die Planungen der Regierungskoalition beziehen sich die WKÖ-Vorschläge aber auf alle Ebenen der Administration, also auch auf Länder und Gemeinden.

Mit der Umsetzung der Vorschläge sei die geplante steuerliche Entlastung von 2,5 Mrd. Euro problemlos finanzierbar "ohne eine Steuerreform auf Pump zu machen und ohne alle Hoffnung auf die Konjunktur setzen zu müssen", meinte WKÖ-Chef Christoph Leitl am Dienstagabend. Die Rolle der Wirtschaftskammer im Konvent sei "ein bisschen die eines Mantras der Wirtschaftlichkeit und das steht uns auch zu."

Jährliches Sparziel: Rund eine Milliarde Euro

2,5 bis 3 Mrd. Euro können nach Meinung der WKÖ-Experten "vorsichtig-konservativ geschätzt" allein aus einer Reform der Verwaltung lukriert werden. Zwischen 2004 und 2006 solle jährlich etwa eine Milliarde Euro eingespart werden. Zusammen mache dies weniger als 10 Prozent der laufenden jährlichen Ausgaben für die öffentliche Verwaltung von 32,3 Mrd. Euro (exklusive Investitionen) aus. Rund zwei Drittel der Einsparungen müsse bei den Personalkosten, der Rest bei den Sachkosten aufgebracht werden, wird geschätzt.

Das Sparziel von 1 Mrd. Euro jährlich könne "sozialverträglich" und "ohne große personelle Einschnitte" erreicht werden. "Hier sollte man in der Regel mit einer jährlichen Personalfluktuation (rund drei Prozent) samt Nicht-Nachbesetzung von Planstellen auskommen", schreibt die WKÖ an den Konvent.

Abbau von 45.000 Stellen in drei Jahren

Auf drei Jahre gerechnet würde dies bei 500.000 öffentlich Bediensteten den Abbau von etwa 45.000 Stellen bei Bund, Ländern und Gemeinden bedeuten. Zum Vergleich: In der vergangenen Legislaturperiode sind durch natürlichen Abgang und Ausgliederungen etwa 13.000 Bedienstete in der Bundesverwaltung abgebaut worden. Im aktuellen Regierungsprogramm ist für die Zeit zwischen 2004 und 2006 der Abbau von 10.000 Dienstposten auf Bundesebene vorgesehen.

Übertragung von Aufgaben an Private soll Einsparung bringen

Durch Reformen im Bereich der staatlichen Institutionen (freiwillige Selbstbindungen und Delegation von Aufgaben an Selbstverwaltungskörper) könnten jährlich nachhaltig 200 Mio. Euro aufgebracht werden, glaubt man in der WKÖ. Noch keine endgültige Potenzialschätzung wird für das Kapitel "Staatsaufgaben und Staatsziele" vorgenommen. Hier erwartet man sich durch die Übertragung von Aufgaben auf Private, gemischte öffentlich-private Finanzierungen und den Abbau von Eigenregieleistungen in den Kommunen wenigstens 300 Mio. Euro. Sollte der Kovent sich auf einen Abbau von Staatsaufgaben verständigen, sei hier "langfristig" ein weiteres "erhebliches Einsparungspotenzial" vorhanden.

Scharfe Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern gefordert

Rund zwei Drittel der Einsparungen der Verwaltungsreform könnten freilich auch ohne Verfassungsänderungen gemacht werden, schätzt Anna Maria Hochhauser, Vize-Generalsekretärin der Kammer. Gleiches gilt freilich nicht für das Kapitel "Aufgabenverteilung Bund-Länder", wo nach Meinung der Wirtschaftskammer durch klare Kompetenzregeln und Beseitigung von Doppelgleisigkeiten bis zu 350 Mio. Euro eingespart werden können.

Grundlage der ganzen Bundesstaatsreform müsse eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sein, betonte Leitl. Die Kammerreform habe ihm gezeigt, dass Veränderungsängste nur abgebaut werden könnten, "wenn jede Ebene weiß, welche Funktion sie im Gesamtsystem hat und was ihre Aufgabe ist".

Der Bund soll nach Meinung der Wirtschaftskammer für Dinge zuständig sein, die Gesamtstaatsinteressen betreffen, also etwa für die Umsetzung von EU-Gesetzen und für Strafrecht und Steuerrecht (Gesetzgebung) bzw. für Gerichte, Finanzverwaltung oder Polizei (Vollzug). Die Aufgaben der mittelbaren Bundesverwaltung sollen auf die Länder übergehen. Die Länder sind demnach für regionale Interessen zuständig und sollen Gesetze für Dinge wie Raumordnung oder Fremdenverkehr erlassen und über die Bezirkshauptmannschaften die Landesgesetze und einen Teil der Bundesgesetze vollziehen. Die Gemeinden sollen die Rolle von bürgernahen "front offices" spielen.

Stärkung des Föderalismus

Der Föderalismus soll eher gestärkt, der Bundesrat gleichzeitig aufgewertet und verkleinert werden, schwebt der WKÖ vor. Die Mitsprachemöglichkeiten des Bundesrats ("zuusätzliche Zustimmungserfordernisse") sollen ausgeweitet, die Zahl der Delegierten aber verkleinert werden. Auf jeden Fall soll der Landeshauptmann, eventuell auch der Landesfinanzreferent in der Länderkammer vertreten sein. Ein weiterer Wunsch der Wirtschaftskammer für den Verfassungskonvent bezieht sich auf die Sozialpartner, die in der künftigen Verfassung verankert werden sollen.(APA)