Berlin - Der Streit zwischen der deutschen Rot-Grün-Regierung und der Opposition um einen EU-Beitritt der Türkei verschärft sich. CSU-Chef Edmund Stoiber und Baden-württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) bekräftigten am Mittwoch ihre ablehnende Haltung. "Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei kommen nicht in Betracht", erklärte Stoiber laut "Süddeutscher Zeitung". Der Vizepräsident des Europaparlaments, Ingo Friedrich (CSU), nannte den "Schmusekurs" der Regierung mit Ankara gefährlich. Der zu Besuch in Deutschland weilende türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan legte unterdessen bei einem Vortrag in Berlin ein ausdrückliches Bekenntnis zur Europa-Orientierung seines Landes ab.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Haltung der Union schon am Dienstag als "billige Polemik" und "Wahlkampfgetöse" bezeichnet. Stoiber sagte laut "Süddeutscher Zeitung", die Kernfragen seien: "Gehört die Türkei zu Europa? Wo sind Europas Grenzen?" Darüber müsse eine europaweite Diskussion stattfinden. Es müsse aber klar sein: "Die EU und speziell Deutschland sind Freunde der Türkei." Doch bestünden massive Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei. Die Reformansätze müssten erst noch weiter entwickelt und umgesetzt werden.

Teufel: Türkei kein europäisches Land

Teufel meinte: "Die Beziehungen zur Türkei sollten weiter intensiviert werden, aber eine Vollmitgliedschaft ist für mich derzeit nicht vorstellbar." Die Türkei sei kein europäisches Land, 95 Prozent des Staatsgebietes lägen in Asien. "Wenn Bundeskanzler Schröder für einen Beitritt der Türkei plädiert, muss er auch die Frage beantworten, ob die Ukraine, Marokko oder Israel ebenfalls Mitglieder der EU können. Man muss schon einmal die Frage stellen, wo die Grenzen Europas liegen." Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sprach sich gegen einen EU-Beitritt der Türkei zum jetzigen Zeitpunkt aus: "Derzeit ist die Türkei selbstverständlich nicht beitrittsfähig - so wenig, wie die EU derzeit aufnahmefähig wäre."

Kritik vom türkischen Premier

Der türkische Premier kritisierte die Auseinandersetzung am dritten Tag seines Berlin-Besuchs erneut. Die Frage eines EU-Beitritts der Türkei dürfe nicht innenpolitisch ausgenutzt werden, sagte er bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD). Deutschland spiele eine Schlüsselrolle bei der Ende 2004 anstehenden Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Am Nachmittag wollte Erdogan mit CDU-Chefin Angela Merkel zusammentreffen.

Den Einwand, die Türkei passe als islamisches Land wegen kultureller Unterschiede nicht in die EU, wies Erdogan entschieden zurück. Die EU sei kein "christlicher Club", sondern eine politische Wertegemeinschaft. "Die Werte, denen sich die Türkei verschrieben hat, sind die Werte, die den westlichen Demokratien zu Grunde liegen." (APA/AP/dpa)