Der Ex-Koordinator mit dem Noch-Obmann und dem Neo-Koordinator (Von links nach rechts)

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Scheibner über die FPÖ: "Man muss selbstkritisch sagen, dass man in der Vergangenheit ja täglich versuchen musste nachzuvollziehen, was gerade Linie ist."

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Wien - Die Regierungskrise um den Voest-Verkauf hat offenbar weitgehend unbemerkt zu einer Kompetenzverschiebung im FP-Regierungsteam geführt. Staatssekretär Karl Schweitzer wurde in der Vorwoche als freiheitlicher "Regierungskoordinator" abgelöst und durch Justizminister Dieter Böhmdorfer ersetzt. Dieser will nun öfter Vereinbarungen des Regierungsprogramms nachverhandeln und verweist auf eine entsprechende Passage im Koalitionspakt. Eine Stellungnahme der ÖVP lag vorerst nicht vor.

"Keine großartige Aufgabe"

Böhmdorfer meinte dazu, der Koordinator sei "keine großartige Aufgabe" und auch kein formales Parteiamt. Es gehe nur darum, vor den Ministerratssitzungen mit dem ÖVP-Gegenüber (Innenminister Ernst Strasser) zu klären, welche Themen strittig und welche unstrittig sind. Was nicht "auf kurzem Wege" bereinigt werden könne, müsse von Kanzler und Vizekanzler beim gemeinsamen Frühstück vor der Regierungssitzung geklärt werden.

Scheibner kritisiert bisherige Linie

Dass Schweitzer von Böhmdorfer abgelöst wurde ist laut FP-Klubobmann Herbert Scheibner nicht als Misstrauensbekundung für den Sportstaatssekretär zu werten. Böhmdorfer habe freie Ressourcen und Kapazitäten gehabt und die Aufgabe gerne übernommen, meinte Scheibner im Ö1-Mittagsjournal. Allerdings übte er offene Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und Partei im Zusammenhang mit dem Voest-Verkauf: "Man muss selbstkritisch sagen, dass man in der Vergangenheit ja täglich versuchen musste nachzuvollziehen, was gerade Linie ist."

Koordinator vs. Finanzminister

Apropos Voest: In diesem Zusammenhang griff Böhmdorfer am Mittwoch neuerlich Finanzminister Karl-Heinz Grasser an. Dieser habe sich in seiner Eigenschaft als Eigentümervertreter "zu weit hinausgewagt" und nicht berücksichtigt, dass laut ÖIAG-Gesetz die gesamte Regierung zuständig ist. "Das war für mich der Grund, mich mehr einzuschalten" - weil eben jeder einzelne Minister in dieser Causa "herausgefordert" gewesen sei, so Böhmdorfer.

Koalitionspakt soll öfter nachverhandelt werden

Zudem ließ Böhmdorfer am Mittwoch durchblicken, dass er bei künftigen Meinungsverschiedenheiten auch das Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP nachverhandeln will. Als "unstimmig" erkanntes dürfe laut Koalitionspakt nachverhandelt werden. "Haupt hat am vergangenen Freitag mit dem Kanzler darüber gesprochen. Diese Klausel zu aktualisieren, ist überfällig. Ich gehe davon aus, dass sie künftig mehr Bedeutung haben wird", so Böhmdorfer in der "Kleinen Zeitung". Scheibner unterstützt dieses Vorhaben. Konkreten Verhandlungsbedarf nannten vorerst aber weder er noch Böhmdorfer.

Böhmdorfer im Interview: "Ehrlich gesagt: Mein Hauptziel ist es, uns überhaupt nicht frustrieren zu lassen."

Mehr Rücksicht gefordert

Von der ÖVP fordert Böhmdorfer mehr Rücksicht auf den Partner FPÖ: "In der Politik wird man nie gut behandelt. Politik ist ein ständiger Wettstreit. Da hat der Größere Vorteile und der Kleinere Nachteile. Es darf aber nicht so sein, dass die Chancengleichheit nicht einmal im Prinzip gewahrt bleibt. Wir haben einiges erreicht. Ich hätte mir zwar mehr erwartet. Aber man soll nicht gleich in Frust verfallen." Und wenn ÖVP-Nationalratspräsident Andreas Khol gemeint habe, die ÖVP habe als Juniorpartner der SPÖ professioneller agiert, als die FPÖ es jetzt tue, gebe er damit "indirekt zu, dass man uns Frust bereitet hat".

Zu seiner eigenen Rolle betont Böhmdorfer, er sehe seine Aufgabe im Justizressort und werde sich "funktionell mit keinem Millimeter darüber hinaus wagen": "Ich bin Fachminister. Ich habe keine Parteifunktion und menge mich - außer es ist wie jetzt bei der Voest wirklich erforderlich - nicht in die Innenpolitik ein. Das ist die Sache des Vizekanzlers. Aber in diesem Fall war der Privatisierungsauftrag ja explizit an die gesamte Bundesregierung erteilt. Da kann ich nicht sagen, das geht mich nichts an."

Vorfreude

Und Böhmdorfer zur Frage, ob er Lust auf den Job des Vizekanzlers habe: "Das ist jetzt keine Amtsmüdigkeit, die aus mir spricht, aber ich sage Ihnen eines: Ich freue mich schon darauf, dass ich eines Tages wieder Rechtsanwalt sein werde." Dass er in der Causa Voest als "Verbindungsoffizier" zu Jörg Haider agiert habe, wies der Minister zurück: "Absolut falsch". (APA)