Opus IV (Walther Ruttmann, 1923/25)

Foto: Künstlerhaus

Vincit Veritas (reMI)

Foto: Künstlerhaus
Wien - Der Drang, der Bewegung an sich, losgelöst von Objekten, habhaft zu werden, brachte schon die historische Avantgarde auf die Idee, Film und Geometrie zu vereinen. Walther Ruttmanns Kurzfilm Opus IV (1923/25) ist dafür ein äußerst sinnliches Beispiel: Licht drängt sich durch horizontale Balken, die in rhythmischem Tempo zu immer neuen abstrakten Mustern gerinnen, schließlich zu wabernden Blasen mutieren, die an Lavalampen erinnern.

Ruttmann wollte "Malerei mit Zeit" kombinieren. Rund 30 Jahre später begleitete Len Lye in seiner Arbeit Tal Farlow den gleichnamigen Jazzgitarristen und fand eine vergleichbare Form: Da tanzen dann vertikale weiße Linien auf schwarzem Hintergrund zur Musik, gleich vibrierenden Gitarrensaiten. Ein aktuelles Beispiel für bewegte geometrische Objekte liefert das britische Duo Semiconductor mit seinem Video linear: Zunächst surren hier nur schmale Linien im Bild, allmählich schwingen sie sich jedoch zu einer kleinen Erzählung auf, welche die Wege des Stroms verfolgt, die in einem Wolkenkratzer münden - ein seltenes Beispiel für einen Experimentalfilm, der auf eine soziale Wirklichkeit verweist.

Zu sehen sind alle drei Arbeiten in dem schönen Programm "Die Liebe zur Geometrie" (19. 9.), das zur Reihe Math in Motion im Künstlerhaus-Kino gehört, die wiederum die Ausstellung Abstraction Now begleitet. Die vom Sixpack-Verleih kuratierte Schau spürt den Beziehungen von Mathematik und Film nach, erstellt dabei thematische Blöcke, in denen unter anderem historische Filme auf gegenwärtige Videos treffen.

"Zufall, Chaos und Ordnung" lautet etwa am Freitag (12. 9.) das Motto: Peter Kubelkas nach einem rigiden Ordnungsschema erstellter Avantgardeklassiker Arnulf Rainer steht hier neben Arbeiten, die ein Maß an Willkür bergen. In reMIs Vincit Veritas werden etwa Testbilder und technische Störungen zu einer alternativen Kulturgeschichte arrangiert. Sehr empfehlenswert auch tags darauf "Strukturierte Dokumente", in dem eine frühe Arbeit des US-Landschaftsfilmers (und Mathematikers) James Benning läuft: One Way Boogie Woogie erforscht in 60 einminütigen Einstellungen das Tal seiner Kindheit - und entdeckt viele Einbahnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.9.2003)