Wien - Der Produzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu ("Amour fou") kommentierte die Diagonale-Präsentation: "Wir haben das Ende der Unabhängigkeit der Diagonale von der Politik erlebt. Die Konstruktion der Statuten mit Beiräten, Präsidium, Vorstand usw., in die Bund und Land Vertreter entsenden, macht die Diagonale abhängig von der Politik, dazu kommt eine konservative Ausrichtung der Lenkungsgremien. Zweitens bedeutet es das Ende der Diagonale als Festival des österreichischen Films. Das Festival trägt dies zwar noch im Subtitel, aber wir merken, dass das Festival eine ganz andere Ausrichtung bekommt. Drittens ist es auch das Ende der Diagonale als ein Festival, das sich primär mit der Kunstform Film, mit dem Kino, mit dem Zelluloid beschäftigt. Die wesentlichen Leute kommen aus dem Fernsehen."

Grobkonzept

Virgil Widrich, Regisseur und Produzent: "Die Veranstaltung, die heute vorgestellt wurde, hat mit dem österreichischen Film sehr wenig zu tun. Viel mehr als ein Grobkonzept wurde nicht verkündet. Es fehlt nach wie vor eine Unterstützung der relevanten Gruppen, weil sie inhaltlich nicht überzeugt wurden. Ich habe das Gefühl, dass man die Leute versucht mit höheren Geldmitteln einzukaufen. Ein Festival, das von der Branche geliebt wird, braucht aber die Leute nicht damit zu locken. Das wirkt alles nicht wirklich durchgedacht."

Hybride Konstruktion

Viennale-Leiter Hans Hurch: "Ich habe nicht verstanden, was die Struktur und Form des Festivals ist. Das ist eine hybride Konstruktion mit Ländervergleichen und 16 Preisen - es wird einem ja ganz schwindlig, wenn man hört, was da alles geplant ist. Von einem Arbeitsfestival für den österreichischen Film, das Leute zusammenbringt, ist keine Rede mehr, weil es nicht getragen ist von der österreichischen Filmszene mit all ihren Widersprüchen. Es hat sich heute niemand aus der Filmszene positiv zur neuen Diagonale geäußert - weil die alte Diagonale völlig willkürlich demontiert wurde und eine neue Leitung bestellt wurde, ohne die Filmszene in die Entscheidungsfindung einzubinden."

"Auf die alte Diagonale hatte man keinen unmittelbaren politischen Einfluss. Das wurde den Politikern schmerzlich bewusst, als frei politisch Stellung bezogen wurde", meinte Hurch, und weiter: "Die neue Diagonale ist ein von oben verordnetes Festival. Wobei die eigentliche Struktur der Leitung und Verantwortung des Festivals auch unklar ist. Wer trifft die Entscheidungen? Da gibt es einen Kurator für den österreichischen Film, der sitzt aber nicht auf dem Podium, sondern äußert sich nur auf Zuruf. Praktisch wird für den österreichischen Film aber Wolfgang Ainberger zuständig sein, schon allein auf Grund der Sprache und seiner Erfahrung mit dem österreichischen Film. Außerdem betreut Vuckovic nach wie vor im Februar das Belgrader Filmfestival - da ist man üblicherweise einmal zwei bis drei Wochen außer Gefecht."

"Es entsteht der Verdacht, dass die Leitungspositionen des Festivals mit Leuten besetzt wurden, die in einem politischen und finanziellen Naheverhältnis zu Staatssekretär Morak stehen", sagt Hurch, "Tillmann Fuchs ist ein absoluter Vertrauensmann von Franz Morak, und hat schon mitgearbeitet bei 'Kunst gegen Gewalt'. Das können sie jetzt bald 'Gewalt gegen Kunst' nennen. Wolfgang Ainberger und Jan Mojto sind kein überzeugendes Signal an die österreichische Filmszene, weil sie nicht in ihr verankert sind. - Dass ein Markt in Graz funktioniert, glaube ich nicht. Der funktioniert nicht einmal in Venedig, weil Marktentscheidungen nicht auf Festivals getroffen werden. Und was die Länder aus Südosteuropa haben, ist großes technisches Know-how. Aber was sie brauchen ist Geld. Und wo soll das herkommen? Mir ist nicht klar, was Österreich diesen Ländern zu bieten hat."

Fazit des Viennale-Leiters: "Ich würde den österreichischen Filmschaffenden empfehlen, das Festival zu boykottieren. Nicht um Personen wie Vuckovic zu bestrafen, den ich für einen fähigen und integren Mann halte. Sondern um ein Zeichen zu setzen, dass diese Form von politischer Unkultur, mit der man die alte Diagonale beendet hat, nicht geht."

Abwarteposition

Regisseur Michael Kreihsl, im Vorstand des Regieverbands, über das neue Konzept für das Filmfestival "Diagonale": "Das was sich bis jetzt zeigt, ist für uns noch nicht in vollem Ausmaß beurteilbar. Noch ist nicht klar, was das in Konsequenz heißt. Vieles ist da noch nicht zu Ende gedacht, daher sind wir im Moment in einer Abwarteposition. Im Moment sind wir nicht bereit, in eines der Diagonale-Gremien zu gehen. Die heutige Präsentation hat gezeigt, dass es hier offenbar um andere Interessen geht als bisher, nämlich in Richtung Produzenten-Plattform, in Richtung Wirtschaft und Verwertung. Wir müssen nicht überall dabei sein."

"... wenig mit der konkreten Realität zu tun"

Alexander Horwath, Leiter des österreichischen Filmmuseums, nach Lektüre der ausgeteilten Diagonale-Unterlagen: "Das Festival nennt sich weiterhin 'Festival des österreichischen Films', und auch der Blick auf den südosteuropäischen Film war ja bei der Diagonale schon in den letzten Jahren sehr stark und genau. Alle diese Facetten gab's bereits in hoher Qualität. Das Neue ist der angestrebte Aufwand, die Quantität. Es ist hier eine Ausrichtung beschrieben, die wenig mit der konkreten Realität des österreichischen Filmschaffens zu tun hat. Das Überraschendste ist die Höhe der Preisgelder. Wenn dabei von 'bedingt rückzahlbarer Förderung' oder 'Zuschuss' die Rede ist, dann ist das sehr seltsam. Es wäre höchst bedenklich, wenn sich das Festival hier mit der Filmförderung verknüpft. Diese beiden Funktionen sollten auf möglichst transparente Weise getrennt sein. Die gewichtete Präsentation des Filmschaffens, wie es die Diagonale bislang praktiziert hat, muss absolut unabhängig sein von der Förderungskultur und umgekehrt. Und wenn davon die Rede ist, dass 'die lokale Hermetik' durchbrochen werden soll, muss ich sagen: Die Behauptung, dass hier irgendeine eine Hermetik geherrscht habe, ist völlig aus der Luft gegriffen. Die Diagonale war ein sehr offenes Festival, das in jeder Hinsicht extrem gut funktioniert hat, international wie auch in Bezug auf die österreichische Entwicklung."

"Mit uns hat das nichts zu tun."

Gerhard Schedl, Leiter des Österreichischen Filminstitutes, meinte nach Lektüre der Pressemappe: "Im wesentlichen schaut es so aus wie das alte Festival, nur dass es viele Preise gibt." Bei Gesprächen mit dem neuen Diagonale-Leitungsteam habe er darauf hingewiesen, dass die bestehenden Richtlinien keine Ausschüttung von Referenzförderungsmitteln zuließen, seither habe er nichts mehr von den Herren gehört. "Mit uns hat das nichts zu tun." Sehr wohl könne aber das Filminstitut die Betreuung des neuen "Sunrise Austria Awards" übernehmen: "Unsere Projektabteilung würde das wie einen Auftrag abwickeln." Schedl glaubt nicht an eine wesentliche Richtungsänderung auf Grund von Einrichtungen wie "Basar" und "Markt": "Die bisherige Diagonale war halt eine andere Form von Markt. Es ist aber eine Frage des Könnens: Bringe ich jene Leute dorthin, die ich hinbringen möchte..." (APA)