Foto: Seat
Foto: Seat
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"Auto emoción" ist Seats Pendant zum Créateur d'automobiles" von Renault. Derjenige, der den Slogan mit Inhalt zu füllen hat und also für künftig immer emotioneller designte Seats zuständig ist, heißt Walter De'Silva (52), mittlerweile hauptverantwortlich auch für die sportlichen Hüllen aller Audis und Lamborghinis. Dem sympathisch bescheidenen italienischen Szenestar gab sein Arbeitgeber Gelegenheit, sich einmal auf ganz anderes Terrain zu bewegen. Herausgekommen ist eine Kollektion zwischen Kaffeekanne und Kleiderständer, die De'Silva mit dem nahe liegenden Begriff "Autoemoción" betitelt hat - Auto diesfalls im Sinne von "selbst", "persönlich".

Jenes Gefühl für das Detail in und an der großen Form, das seine automobilen Würfe kennzeichnet (Alfa 156 etwa, aber auch der derzeit beim Frankfurter Autosalon IAA ausgestellte Seat Altea), manifestiert sich auch in diesen nonautomobilen Gegenständen. Es ist das bekannte Spiel mit konvex-konkaven Lineaturen, und immer wieder reizt er das Gegensatzpaar Statik und Dynamik, Ästhetik und Technik in ein und demselben Objekt aus, um aus diesem Gegensatz Spannung zu erzeugen.

De'Silva hat mit diesen Objekten, in ihrem alltagsästhetischen Anspruch gar nicht so fern von Alessi und Philippe Starck, erklärtermaßen ein wenig seine Kindheit aufgearbeitet. Erspart hat er sich die Couch beim Psychiater zum Beispiel mit einem "Interstellaren Kaffeeset". Aufgewachsen in der Zeit des Kalten Krieges, des Wettstreits der politischen Systeme um den ersten Platz im Weltall, war dieses Knaben Wachtraum der Mond und seine Wunder - lange, bevor der erste Amerikaner wunderentzaubernd dessen staubigen Boden betrat. Materialisiert wird dieser Kindertraum erst jetzt, und es entlockt einem schon fast ein Schmunzeln, wenn man sieht, diese Kannen-Raketen könnten auch direkt aus einem Buch von Jules Verne in die Design-Realität abgehoben haben. "Rocket Man" Walter de'Silva.

Experimentelle Kreativität"

Auch die andern Objekte "sind Elemente aus meiner Lebensgeschichte". Beim Frühstück mit de'Silva kommentierte der Maestro, dies psychotherapeutische Design (was der Autor hier boshaft unterstellt) sei ein Fall von "experimenteller Kreativität". Besser noch: "Eine ganz neue Art von Spielen. Das wollte ich immer schon tun, seit ich ein Kind war."

Wir sehen also: einen Stuhl, Rückenlehne und Sitzfläche bespannt mit des Vaters Zeitung, Corriere della Sera (wobei, das Wortspiel "Seat" - Stuhl/"Seat" - Automarke funktioniert nur auf Englisch). Ein Aschenbecher, der wie ein Ufo aussieht. Schreibtischlampen, die an Insekten erinnern - "und ich mag gar keine Insekten!" Im Licht der Vernunft betrachtet seien diese Kindheitsängste reichlich irrational gewesen, (psycho-)logisch, dass der Heuschreck 40 Jahre später sozusagen zum Glühwürmchen, zum Leuchtkörper wird und niemanden mehr schreckt.

Auf die Frage, wie Kreativität überhaupt funktioniere, hat Damenschuh-Fan de'Silva seine eigenen Antworten: "Inspiration ist ein Prozess, der jeden Tag neu stattfindet". Tägliches Training wie beim Sport sei erforderlich. Und ständig sei der Designer Gefangener seines Themas. "Glauben Sie nicht, Kreativität bedeute Freiheit." Noch eines stellt der Italiener in spanisch-deutschen Diensten fest: "Ich brauche keine exotischen Orte, um Inspiration zu finden." Das Leben in pulsierenden Metropolen wie Barcelona auf sich wirken zu lassen, sei schon wichtig, "aber wichtiger ist noch, was man im Herzen, im Kopf hat."

Logisch klingt dann auch de'Silvas geographische Farbenlehre. Alle Objekte seiner Serie sind silbrig, weiß, schwarz. Das müsse so sein im lichtdurchfluteten Mediterranien, sagt er. In Schweden bräuchten die Menschen fröhliche, bunte Farben, die Sizilianer hingegen schwarz und weiß, immer schön im Kontrast mit der Umwelt.

Njet. Nada.

Bei wem die Objekte nun Kaufbegehrlichkeiten wecken: Njet. Nada. Gibt's nicht. Alles Einzelstücke. An eine Produktion ist nicht gedacht. Schade. Zumal Seat sich gerade neu positioniert, sportlicher und ein bisserl weiter nach oben. Da würde eine extravagante Accessoirereihe wie diese fein reinpassen. Und so bleibt es bei einem "Experiment der Selbstfindung, der Selbstmotivation. Morgen schon werde ich wieder Autos zeichnen. Das ist mein Job."

Sie mögen sympathisch sein, Herr de'Silva. Aber egoistisch sind Sie auch. (Der Standard/rondo/Andreas Stockinger/19/9/2003)