Foto: Ausstellung
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Der Ort dieser Ausstellung ist eine Pointe für sich: eine Schau über die Wiener Werkstätte und ihre noch immer (oder wieder) produzierenden "Nachfahren" im Looshaus am Michaelerplatz. Adolf Loos, der unerbittlichste Gegner der Wiener Werkstätte, der auch über die Jahrzehnte nicht müde wurde, Hohn und Spott über die Kunsthandwerker auszuschütten, und Josef Hoffmann, Kolo Moser und Co. unter einem Dach. Das "Wiener Weh" hat Loos seine Konkurrenten in einem gleichnamigen Vortrag genannt und ein "Wiener Weiberkunstgewerbe".

Das saß tief, doch im künstlerisch aufgeheizten Klima zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als künstlerische Statements noch ideologische Grundsatzerklärungen waren, wurden Feindschaften beinahe liebevoll gepflegt. Vor allem, wenn man in den jeweiligen Positionen manchmal gar nicht so weit von einander entfernt war. Die "künstlerische Erneuerung" des sich in einem Historismus ergehenden Designs der Zeit sah bei beiden Konkurrenten nur eben ein wenig anders aus.

Puristischer Funktionalismus und das Spiel mit dem Dekor: Die Wiener Werkstätte, die in diesem Jahr bekanntlich ihren hundertsten Geburtstag feiert, vereinte beides. Auch wenn das Dekor eine immer dominantere Stellung einnehmen sollte und sich gerade in den letzten Jahren der bis 1932 bestehenden Künstlervereinigung immer mehr eine gewisse Anpassung an die Kunden, deren Geschmack und vor allem auch an deren ökonomischen Möglichkeiten durchsetzen sollte.

Doch billigere Materialien hin oder her: Die Produkte der Wiener Werkstätte stehen seit ihrer Renaissance in den Siebzigern ungebrochen für Raffinement und Exklusivität. Und: Sie liefern den nostalgischen Hauch einer Welt von gestern gleich mit dazu. Das wissen nicht wenige Wiener Unternehmen zu nutzen.

Die Schau mit Zentrum im Looshaus am Michaelerplatz, die von dort auf die einzelnen Geschäfte bzw. Firmenräumlichkeiten verweist, vereint neun von ihnen. Diese bewahren Archivmaterial auf oder erzeugen Repliken, modifizieren im Sinne des Werkstätte-Gedankens oder führen schlicht Traditionen fort.

Backhausen zum Beispiel: Das Wiener Textilunternehmen, das bereits seit Beginn des 19 Jahrhunderts besteht (und dessen Einzelhandelsgeschäft derzeit von der Kärtner- in die Schwarzenbergstraße übersiedelt) begründete seinen Erfolg maßgeblich auf Kooperationen mit Entwerfern des Jugendstils, des Bauhauses - und vor allem der Wiener Werkstätte. Insgesamt mehr als 3500 Entwürfe gibt es, die Musterbücher sind erhalten. "Mit fast allen textilen Stoff- und Teppichentwürfen der Wiener Werkstätte wurde Backhausen beauftragt", erklärt Ruperta Pichler, Kuratorin der Schau und gemeinsam mit Angela Völker Autorin eines Bandes über "Abstraktes Textildesign in Wien 1899-1912". Der Möbelbezugstoff "Notschrei Streber" (woher der Name stammt, ist unklar) für das Sanatorium Purkersdorf ist noch heute einer der bekanntesten Backhausen-Stoffe.

Oder Lobmeyr: Die "Glasverlegerdynastie" entwickelte und übernahm bereits zu Zeiten des Firmengründers und ku.k. Hoflieferanten Josef Lobmeyr neue Techniken und Designs und arbeitete unter anderem eben auch mit der Wiener Werkstätte engstens zusammen: Es entstanden exklusive Produktpaletten an Trinkservices, Einzelstücken und Kristalllustern.

Mit anderen in der Ausstellung vertretenen Unternehmen war die Kooperation nicht derart intensiv: Von der Bau- und Kunstschlosserei Georg Senft etwa ist nur mündlich tradiert, dass sie mit der Werkstätte zusammenarbeitete. Für die Gebrüder Thonet entwarf zwar Josef Hoffmann, allerdings nicht für die Wiener Werkstätte.

Wolfgang Karolinsky, Gründer des Unternehmens WOKA, ist dagegen ursprünglich ein Sammler, der sich viele Jahre mit Josef Hoffmann beschäftigte. Seit 1977 stellt er mit seinem Unternehmen hochwertige Reproduktionen von Tisch-, Wand-, Decken- und Stehleuchten her (im Übrigen auch von Adolf Loos).

Des Weiteren in der Schau vertreten: Augarten Porzellan, die Österreichischen Werkstätten, der Möbelhersteller Wittmann und Kunsttischler F.O. Schmidt: eine breite Palette an Firmen, die auch heute noch den Gesamtkunstwerk-Charakter der Werkstätte (beste Beispiele: Hoffmans Sanatorium Purkersdorf und das Palais Stoclet in Brüssel) verdeutlicht. Es ging um die Durchdringung des gesamten Alltags, darum, dass auch Kunsthandwerk - wie im Arbeitsprogramm festgehalten - Kunst ist: "Es soll die Arbeit des Kunsthandwerkers mit demselben Maß gemessen werden wie die des Malers und Bildhauers." (Der Standard/rondo/hil/19/09/2003)