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Der österreichische Jugendbuchautor Thomas Brezina hat gut lachen: Mit chinesischen Überset- zungen der Tigerteam-Bücher,...

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etwa seines "Geists im Klassenzimmer", erreicht er Millionenauflagen.

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In Chinas größtem Kinderbuchverlag Zhejiang Childrens Publishing House gingen die Bestellungen für die Krimirätselreihe Ein Fall für dich und das Tiger-Team stapelweise ein. Buchhändler orderten im Frühjahr alle verfügbaren Übersetzungen der im Münchner Egmont Franz Schneider Verlag erschienenen Kinderkrimis.

"Wir haben so etwas noch nie erlebt", erinnert sich die Cheflektorin Yuan Lijuan über die Bestellflut kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest. Trotz der Feiertage mussten die Druckereien durcharbeiten. "Wir stellten 80 Bäuerinnen ein. Im Schichtdienst halfen sie, 300.000 zusätzliche Bände fertig zu stellen."

Seither ist die Nachfrage nach Büchern des österreichischen Autors Thomas Brezina, der seit knapp 15 Jahren Krimi- und Abenteuergeschichten für Kinder und Jugendliche schreibt, nicht abgerissen. Der 40-Jährige, dessen Serien wie Tiger-Team, Mark Mega oder Knickerbocker-Bande sich weltweit 20 Millionen Mal verkauften und in zwei Dutzend Sprachen übersetzt wurden, ist über Nacht zum Superstar im Reich der Mitte geworden.

"Wir haben bis jetzt 4,6 Mio. Bände ausgeliefert" sagt Verlagsleiter Chen Chunyue. "Bis Ende des Jahres werden wir bei sechs Mio. sein. Wir decken damit 70 bis 80 Prozent des Marktes ab." Weitere Bücher von Brezina vertreiben vier kleinere Verlage. Brezina wird damit Ende 2003 auf eine Auflage von "sieben bis acht Millionen Bänden" in China kommen. "Das hat noch kein anderer ausländischer Autor geschafft."

Kein Wunder, dass selbst Chinas größter Verlag für Kinderliteratur, der mit den Abenteuern Brezinas dieses Jahr rund 50 Prozent seines Umsatzes bestreitet, mit dem Drucken nicht nachkommt. Im Jänner erschien etwa der Band Der Geist im Klassenzimmer, einer von 30 Titeln aus der Tiger-Team-Serie, die von Zhejiang verlegt werden. Im September musste man das 130 Seiten starke Buch in achter Auflage nachdrucken.

Boom der "Superfälle"

Zudem hat der Verlag die Rechte auf zehn "Superfälle des Tiger-Teams" erworben und Lizenzen für Mark Mega gekauft. "Zhejiang hat mehr als die Hälfte aller Lizenzen", sagt Hans Ponsold, Wiener Manager des Erfolgsautors. Mit der Vergabe weiterer Serien wie der Knickerbocker-Bande will Ponsold noch warten.

Die Auflagenzahlen des Österreichers stellen sogar Harry Potter in den Schatten. Im März rückten zwei Tiger-Team-Bücher auf Chinas monatlich erstellter Hitliste für Jugendbücher auf Platz zwei und drei hinter den Politbestseller für Kinder über Chinas Mustersoldaten Lei Feng. Harry Potter fiel auf Platz vier. Im April konnten die Tiger-Team-Abenteuer die Liste komplett erobern. Sie besetzten die ersten zehn Plätze. Derzeit sind unter den 50 bestverkauften Jugendbüchern Chinas "28 von Thomas Brezina" berichtet die Cheflektorin.

Thomas Brezina, der 350 Bücher verfasst hat und Unicef-Botschafter für Österreich ist, führt seinen Erfolg darauf zurück, dass er Mitmach-Bücher geschrieben hat. Er nennt die Behauptung unsinnig, das Kinder heute nicht mehr lesen wollten. Mit seinem Tiger-Team habe er im Zeitalter der Computerspiele ein interaktives Spielbuch zum Lesen geschrieben, mache die Kinder zum Mitglied des Tiger-Teams und lasse sie bei der Lösung helfen. Das Buch halte Hilfsmittel wie Code- und Schatzkarten, Leuchtschriften oder Detektivtricks bereit. "Meine Leser erleben das Buch mit allen Sinnen. Ich nehme sie von der Größe der Schrift bis zu den Ilustrationen ernst."

Riesiger Markt

"Kinder- und Jugendbücher sind in China ein absoluter Renner", sagt Claudia Kaiser, Leiterin der Internationalen Abteilung der Frankfurter Buchmesse. 2002 kauften chinesische Verlage 134 Lizenzen für deutschsprachige Kinderbücher, die auch zuvor schon hohen Absatz fanden. Auch Michael Endes Momo fand so ihren Weg nach China.

Mit 200 Millionen Schülern sei der Markt "für Kinderliteratur und Unterhaltung riesig" sagt Verlagsleiter Chen Chunyue. China habe noch zu wenige eigene Jugendbuchautoren. Drei ausländische Serien dominieren den Markt. Neben Tiger-Team und Harry Potter hat der US-Bestsellerautor R. L. Stine seine Gruselreihe Gänsehaut durchgesetzt.

Was die riesigen Auflagen versprechen, kann das wirtschaftliche Geschäft noch nicht einhalten. Raubkopien bringen die Verlage zur Verzweiflung. Schon bei der Herausgabe des ersten Tiger-Team-Buches im Dezember 2001 dauerte es nur 20 Tage, bis auch der erste Raubdruck auf dem Markt war. Fünf bis sieben Prozent Lizenzgebühren zahlen Chinas Verlage vom Verkaufspreis an die Autoren. Bei den Billigbuchpreisen von ca. einem Euro pro Tiger-Team-Buch und nach Versteuerung und anderen Abzügen bleibt kaum ein Cent übrig. Anders als Verlage in Russland oder sogar Taiwan haben aber Chinas Verlage bisher korrekt jeden Cent bezahlt, so Ponsold. Hinzu kommen mögliche Geschäfte aus künftigen Verfilmungen und andere gemeinsame Projekte.

"China hat von allen Lizenzausgaben die schönste und edelwertigste Ausgabe produziert", lobt Brezina. Als Autor besuchte er jetzt zwei Wochen China. Überall wurde er von seinen kleinen Fans umstürmt. Den nächsten Superfall des Tiger-Teams will er in China spielen lassen. 2004 soll er gleichzeitig in Deutsch und Chinesisch erscheinen. Der Titel steht schon fest. Der Berg der 1000 Drachen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23. 9.2003)