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Wenn der Fujiyama erwacht, ist Tokio gefährdet.

Foto: apa/epa/afp/Kazuhiro Nogi
Tokio/Hamburg - Der Fujiyama, Japans Wahrzeichen, galt als erloschen. Doch seit kurzem erschüttern häufiger als zuvor leichte Erdbeben den Vulkan. Forscher fürchten daher einen neuen Ausbruch.

Die Beben seien Anzeichen gravierender Veränderung, meint Vulkanologe Setsuya Nakada von der Uni Tokio: Möglich sei, dass aufsteigendes Magma (unterirdische Lava) Richtung Schlot wandert, Gestein auseinander drückt und die Erde erzittern lässt. Vor einigen Tagen begannen Forscher, das Innere des Vulkans zu analysieren. Sie hoffen, Magmavorräte des Fujiyama ausfindig zu machen.

Druck alle 400 Jahre zu groß

In der Vergangenheit wurde der Druck regelmäßig etwa alle 400 Jahre zu groß. Beim bisher letzten Ausbruch im Jahr 1707 regnete es zwei Wochen lang Asche auf das 100 Kilometer entfernte Tokio. Seither könnte sich genug explosives Material für einen erneuten Ausbruch angesammelt haben, fürchtet Nakada.

Um den Berg zu durchleuchten, zündete Nakadas Team nun Hunderte Kilo Sprengstoff. Die Druckwellen durchlaufen den Berg, werden von Detektoren registriert. Die Zeit, die die Wellen dazu benötigen, verrät, wo sich Magma befindet. Denn die Wellen durchlaufen Magma deutlich langsamer als Gestein.

Dreidimensionales Bild

Durch die Aufzeichnung vieler Druckwellen erhalten die Vulkanologen ein dreidimensionales Bild des Untergrundes. "Wir wollen feststellen, wie viel Magma sich im System befindet", erklärt Nakada. In einem halben Jahr werde man die Daten ausgewertet haben und wissen, wie der Vulkan innen aussieht.

16 Millionen Touristen besuchen jedes Jahr den Fujiyama. Für viele ist es eine Pilgertour. Denn der "Fuji-san", wie der Vulkan in Japan genannt wird, gehört zu den heiligen Bergen des Shintoismus, der neben dem Buddhismus wichtigsten Religion des Landes. Die Tourismusindustrie sorgt sich, Spekulationen um einen Ausbruch des Fujiyama könnten zu Umsatzeinbußen führen. Erst seit wenigen Wochen wird an Katastrophenplänen für die Region gearbeitet.

Große Reichweite

Ein Ausbruch würde nicht nur das Leben der Urlauber und der rund 100.000 Menschen bedrohen, die in den Gemeinden am Fuß des Fujiyama leben. Ostwinde würden glühende Partikel und Vulkanasche nach Tokio und Yokohama, Westwinde nach Nagoya und Kioto treiben. Energie- und Wasserversorgung sowie viele Bereiche des öffentlichen Lebens würden möglicherweise lahm gelegt. Genauere Vorhersagen für das bisher Undenkbare gibt es bis dato nicht. Untersuchungen der bei früheren Eruptionen abgelagerten Lava haben ergeben, dass der 3776 Meter hohe Vulkan in der Vergangenheit an wechselnden Stellen ausgebrochen ist. So ist die Festlegung von Gefahrenbereichen in der Umgebung schwierig.

Noch sei Zeit genug für die Errichtung eines umfangreichen Überwachungsnetzes, sagte Nakada. Wirklich bedrohlich werde es erst, wenn das Vulkandach anschwelle oder die Temperaturen im Schlot anstiegen. Warum dann bereits die jetzigen leichten Erdbeben beunruhigen? Die jüngsten Ausbrüche der japanischen Vulkane Usu und Oyama wurden durch Beben gleicher Stärke eingeleitet. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2003)