Limp Bizkit
Results May Vary

Foto: Interscope
Der ehemalige Tätowierer Fred Durst (32) zählt wegen des Erfolgs seiner Rap-Metal-Band Limp Bizkit und Hits wie "Rollin'" zu den wichtigsten Entscheidungsträgern im US-Musikgeschäft. Daran dürfte selbst das missglückte neue Album "Results May Vary" wenig ändern.


Wien – Wenn weniger mehr ist, könnte man auf den verwegenen Gedanken kommen, dass nichts alles ist. Für Zweifler: Das Ganze funktioniert auch umgekehrt.

Insofern ist es nicht erstaunlich, dass die US-Band Limp Bizkit ab Mitte der 90er-Jahre mit nur drei Alben in die erste Liga des Rock aufgestiegen ist. Spezialgebiet: "Rap Metal" – oder auch "Nu Metal", eine mit Acts wie Korn, System Of A Down oder Slipknot und nicht zuletzt mit dem bizarren Übervater Marilyn Manson geschriebene Erfolgsgeschichte. Die basiert grob gesagt darauf, dass man für ein männliches, weißes Teenagerpublikum den aggressiven HipHop der frühen Beastie Boys mit Metal zusammenführt und darüber altersgerecht seine Frustrationen und Existenzängste mit dem Stinkefinger und der Hand im Schritt abhandelt. Das klingt dann meist wie eine quengelige und selbstmitleidige Mischung aus den Zutaten Pimp und Pimpf. Pimp gleich: US-Slang für "Zuhälter".

Abgesehen vom hier dokumentierten pubertären Leid gerät die dazugelieferte Musik wegen ihrer vielen schweren Zutaten aber nur mühsam verdaulich. Weil bei altvorderen Ideengebern des früher als Crossover bezeichneten Genres wie etwa den Bad Brains, Rage Against The Machine oder den Red Hot Chili Peppers zwar abgeschaut wurde, wie man eine Gitarre würgt und dazu afroamerikanische Stile wie Funk aus den Boxen wuchtet. Bloß: Mit den Grundlagen des Songschreibens hat man sich nie wirklich auseinander gesetzt.

Von einer Beschäftigung mit Inhalten abseits ichbezogener Allmachtsfantasien oder Ohnmachtsgefühlen einmal ganz zu schweigen. Die Lieder klingen brutal und lieblos zusammengeklebt, sie sind collagenhaftes Stückwerk unter besonderer Berücksichtigung von ebenso hilflosen wie inflationär gebrauchten Kraftausdrücken.

Dem Erfolg von Limp Bizkit tat dies keinen Abbruch. Allein die im Jahr 2000 veröffentlichte Arbeit "Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavoured Water" mit ihren Singles "Rollin'" und "Take A Look Around", dem Titelsong des Hollywood-Reißers "Mission Impossible 2", stellte einen Verkaufsrekord auf. Innerhalb der ersten Woche im Handel verkaufte sich das dritte Album der Band aus Florida eine Million Mal. Im Rock wurde dieser kommerzielle Coup bis dato nicht eingestellt, zumal man seither mit 13 Millionen verkauften Stück und Platinauszeichnungen in 33 Ländern zu den Big Names zählt.

Bandleader Fred Durst, als ehemaliger Tätowierer mit den handflächengroßen Porträts von Kurt Cobain und Elvis auf seiner Brust ausgewiesener Musikexperte, firmiert deshalb mit 32 Jahren als "Senior Vice President" seiner Plattenfirma Interscope. Er bestimmt in dieser Funktion entscheidend über das Schicksal von Nachwuchsbands.

Nach dem Abgang des den Sound entscheidend prägenden Gitarristen Wes Borland – Fred Durst vergnügte sich inzwischen privat kurzfristig mit Teenie-Idol Britney Spears – mochte man auf die Zukunft von Limp Bizkit allerdings nur mehr wenig setzen.

Zum Fressen gern

Das neue Album "Results May Vary", mühsam entstanden unter Aufbietung der letzten Bandreserven, macht diesbezüglich allerdings nicht nur die Hoffnung zunichte, dass der Spuk des längst im zarten Niedergang befindlichen Genres bald vorüber sein könnte. Immerhin befindet sich die aktuelle Single, "Eat You Alive", schon wieder im Powerplay von MTViva.

Bei Beibehaltung einer textlich hochgradigen Weinerlichkeitsstufe erweitert Fred Durst das alte Spektrum auch um melodiösere Einflüsse aus dem gängigen Alternative- Rock-Mainstream, Akustik- "Balladen" inklusive. Sogar der ansonsten geschmackssichere Produzent Rick Rubin (Red Hot Chili Peppers, Johnny Cash, Beastie Boys) hat sich für einige Songs hergegeben. Wer will schon einen Präsidenten verärgern?

Der Stinkefinger wird uns also erhalten bleiben. Dass die Pubertät heute bis weit in die Thirtysomething-Jahre dauert, weiß man schon länger. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2003)