"Meine Karriere wäre 1990 hier nicht denkbar gewesen. In der Zwischenzeit hat sich Wien aber im Bereich Biotech-VC sehr stark entwickelt", konstatiert Helmut Schühsler.

Foto: TVM

Venture-Kapitalist wollte Helmut Schühsler schon werden, als seine Sandkistenkollegen noch von einer beruflichen Zukunft als Feuerwehrmänner träumten. Heute ist der 44-jährige, in München lebende Wiener mit Techno Venture Management (TVM) Europas wichtigster Biotech-Finanzier. Die Liste jener, die ihm ihr Geld anvertrauen, liest sich wie das Who's who der Großfinanz.

"1875 war Wien einer der wichtigsten Finanzplätze der Welt – und was ist geblieben? Nichts!" Helmut Schühslers Stimme zeigt einen Anflug von Wehmut. Aber was soll's. Sentimentalität ist seine Sache nicht.

Einer, der bereits davon träumte, Venture-Kapitalist zu werden, als andere gerade einmal die Infantilphase der Feuerwehr- und Polizeikarrieren hinter sich gelassen hatten, dem ist das Gestern Wurst und das Heute allenfalls der Ort, wo es, laut Woody Allen, die besten Steaks gibt.

Morgen ist das, was zählt

Morgen ist das, was zählt. Wenn sich entscheidet, ob Visionen Trugbilder bleiben oder zu Tatsachen werden. Und wenn für einen Wiener Wien "war", dann geht er eben nach München, "denn die VC-Szene in München ist zehnmal so groß wie in Wien". 1990 wurde der promovierte Wirtschaftswissenschafter Investment-Manager bei Techno Venture Management (TVM), seit 1997 ist er Managing-Partner.

Anfangs verantwortete er Investitionen in verschiedenen Industrien, erkannte aber sehr bald sein Faible für Biotechnologie. "Molekularbiologie ist leichter zu verstehen als etwa Chemie. Alles baut aufeinander auf, wie bei einem komplizierten Legospiel." Dass neben der Affinität zu diffizilen Bausteinspielen die Aussicht auf einen prosperierenden Markt dieser Entscheidung nicht gerade hinderlich im Wege stand, wird sehr schnell klar. "Die Biotechnologie wird zu einem Aufstieg der Biotech-Industrie beitragen, vergleichbar nur mit dem Computer."

Allianz, Gerling, GE-Capital, ...

Wie groß das Vertrauen von Investoren in Schühslers "Bringing-aspirants-to-opportunities-Spürnase" ist, zeigt die Liste derer, die ihm ihr Geld anvertrauen. Das liest sich wie das Who's who der Großfinanz: Allianz, Gerling, GE-Capital, Siemens, UBS, die Regierung von Singapur, Swiss Life.

Zum Stichtag 31. 6. 2003 verfügte TVM über ein Fondsvolumen von 915 Millionen Euro und ein Beteiligungsvolumen von 386,5 Millionen Euro in 71 Portfolio-Unternehmen.

Von diesen 71 Unternehmen sind 46 aus dem Bereich Life-Science. Darunter auch Intercell, ein in Wien ansässiges Biotech-Unternehmen, das auf dem besten Wege ist, zum globalen Powerhouse im Bereich Impfstoffentwicklung zu werden.

STANDARD
: Sie haben Wien 1990 den Rücken gekehrt, weil hier kaum jemand mit dem Begriff Venture Capital etwas anfangen konnte. München galt damals als inoffizielle Hauptstadt Deutschlands in Sachen VC. Wie sieht die Bestandsaufnahme heute aus? Hat sich Wien gebessert?
Schühsler: Ich bin 1990 nach München gegangen, weil ich ein sehr gutes Angebot bekommen hatte, bei TVM, der zu diesem Zeitpunkt größten deutschen VC-Gesellschaft, zu arbeiten. Meine Karriere wäre damals in Wien nicht denkbar gewesen. In der Zwischenzeit hat sich Wien aber im Bereich Biotech-VC sehr stark entwickelt und ist ein sehr attraktiver Standort geworden. Die Unterstützung der Politik spielt dabei eine ähnlich gewichtige Rolle wie Mitte der 90er in München.

STANDARD: Venture-Capital-Firmen gelten allgemein als reine Transferstationen von Geld. Was macht ein gutes VC-Unternehmen wirklich aus?
Schühsler: Gute VC-Unternehmen liefern mehr als Kapital: ein Netzwerk, Zugang zu Persönlichkeiten, die im Aufsichtsrat tätig werden, Hilfe bei Akquisitionen, das richtige Management zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen. Wenn TVM sich für ein Unternehmen entscheidet, dann wollen wir ein bevorzugter Partner sein für Investoren, die Geld anlegen, und für die Unternehmen, die Geld nehmen.

STANDARD: Alle drei Gewinner des diesjährigen European Bio-technica Award – wie etwa Intercell – kommen aus dem TVM-Portfolio. Ein Indikator für die führende Stellung von TVM als Biotech-Investor in Europa. Wie sieht der Selektionsprozess für ein TVM-En- gagement aus?
Schühsler: Wir sind bekannt dafür, starke inhaltliche und sachliche Projektprüfung zu machen, das heißt, wir vertiefen uns in die wissenschaftliche Basis. Wir sehen uns aber auch die Hindernisse für die Zulassung eines Produktes an und loten die Stärken des Managements aus. Am Ende investieren wir in einen von 100 Kandidaten, die wir uns angesehen haben.

STANDARD: TVM war 1998 Lead-Investor bei Intercell. Damals hatten viele den erfolgreichen Aufbau einer Biotech-Firma in Wien bezweifelt. Was hat Sie an den Erfolg glauben lassen?
Schühsler: Exzellente Wissen-schaft und einige hervorragende Leute, geführt von Alexander von Gabain. Kurz gesagt: eine super Mannschaft, mit sehr internationaler Besetzung. Eine ideale Startposition. Dazu kam die klar sichtbare Unterstützung durch die Politik.

STANDARD: Gibt es ein Geheimnis für Erfolg?
Schühsler: Man darf nicht glauben, alles selber zu verstehen, sondern muss seine eigenen Grenzen kennen.

(DER STANDARD Printausgabe, 25./26.10.2003)